"Es gefällt mir gut in Wien": Das könnten Studienwerber, die nun auf A2-Niveau Deutsch sprechen müssen, im Kurs lernen – die Neuerung könnte sie in andere Länder drängen.

Foto: Heribert Corn

Es klingt selbstverständlich: Wer an einer Uni in Österreich studieren will, muss Deutsch sprechen. Michal Stolar kommt aus Hranice in Tschechien. Deutsch lernte er 2015 während seines Sozialanthropologie-Bachelors an der University of Aberdeen. Als er den Sommer 2017 für seine Bachelorarbeit in Wien verbrachte, verliebte er sich in die Stadt: "Ich interessiere mich für Kultur, und wo sonst bekommt man so viel davon mit wie hier?" Nach seinem Studienabschluss in Schottland kehrte er im Vorjahr für ein viermonatiges Praktikum nach Wien zurück. Und blieb, um zu studieren.

Der gute Ruf der Uni Wien, die großen Geisteswissenschafter, die hier studiert haben: All das habe für einen weiteren Bachelor in Kultur- und Sozialanthropologie gesprochen. "Ich wäre gerne Teil eines solchen Umfeldes geworden", erzählt Stolar. Also schrieb er sich im Oktober bei einem Deutschkurs am Sprachenzentrum der Uni Wien ein.

Für ein Studium lag sein Deutsch damals, laut Selbsteinschätzung, irgendwo zwischen Level A2 und B1 – und reicht damit noch nicht aus. Denn für die Zulassung an einigen Hochschulen, darunter die Uni Wien, ist seit vergangenem Wintersemester ein Deutschnachweis auf Niveau C1 – und damit nur eine Stufe unter jener von Muttersprachlern – erforderlich. Die Unis berufen sich auf die Kompetenzstufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER).

Keine Pflicht im Gesetz

Im Kurs war Michal Stolar anfangs euphorisch. Zunehmend dämmerte es ihm aber: Das Niveau C1 erreicht er niemals rechtzeitig bis zur Anmeldefrist zum Studium im April 2019. "Es war enttäuschend. Wir saßen in einer Gruppe von 16 bis 17 Leuten in der Klasse, machten ein Übungsblatt nach dem anderen und kamen kaum zu Wort. Mittlerweile fühlen sich einige entmutigt", sagt der 23-Jährige.

Im Universitätsgesetz ist das Niveau C1 nicht vorgeschrieben, es ist die Entscheidung der Uni, die notwendige Kenntnis der jeweiligen Sprache für ihre Studien zu definieren. An den Unis Innsbruck, Salzburg oder Klagenfurt reicht etwa noch Niveau B2. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung nimmt jedoch an, dass der Studienerfolg signifikant höher sei, wenn man die Studiensprache auf C1 beherrscht, als mit B2, heißt es gegenüber dem STANDARD.

Kritik von Sprachwissenschaft

Anderer Meinung ist Eva Vetter, Leiterin des Fachdidaktischen Zentrums und Professorin für Sprachlehr- und -lernforschung der Uni Wien. "Ich befürworte überhaupt nicht, C1 für die Zulassung zum Studium vorauszusetzen." Diese Entscheidung entspreche aber dem politischen Zeitgeist. "Denken wir an die aktuelle Situation in Österreich, wo sogar finanzielle Leistungen an Sprachkenntnisse gebunden sind." Auch Stolar vermutet dahinter ein politisches Kalkül: "Österreichs Regierung setzt alles daran, ausländische Studierende vom Studium abzuhalten."

Neben die Neuerung der Unis reiht sich ab dem Sommersemester 2019 eine tatsächliche Änderung des Universitätsgesetzes: Studienanwärter müssen nun bereits bei der Antragstellung das Deutschniveau A2 vorweisen – sonst wird ihnen ab sofort an jeder Uni in Österreich ihr Antrag abgewiesen. Mit Level A2 haben die sogenannten außerordentlichen Studierenden vier Semester lang Zeit, die C1-Prüfung positiv zu absolvieren.

Erst dann sind sie ordentliche Studierende. Unterstützen sollen dabei die offiziellen Vorstudienlehrgänge der Unis (VWUs), die in Graz, Leoben und Wien internationale Studierende auf erforderliche Sprachprüfungen vorbereiten. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wolle, dass so die "besten Köpfe" zum Studium nach Österreich zugelassen werden, heißt es auf Anfrage des STANDARD.

Kein taugliches Mittel

"Der GER ist kein taugliches Mittel für die Zulassungspraxis an Unis, denn seine Beschreibungen wurden nicht für die Studierfähigkeit entwickelt", sagt Vetter. Mit der neuen Regelung wird er laut der Sprachwissenschafterin aber zur Hürde für ausländische Studierende: "Keines der Levels garantiert den Studienerfolg, auch C1 nicht. Beim Studium brauche ich spezielle fachliche Fähigkeiten, wie etwa komplexe Inhalte zueinander in Beziehung zu setzen. Das lernt man während des Studiums." Für richtig hielte sie es, parallel zum Studium Deutsch zu erlernen und etwa erst beim Bachelorabschluss die Kenntnisse nachzuweisen.

Für Adrijana Novakovic, Sachbearbeiterin im Referat für antirassistische Arbeit der ÖH, liegt eine sprachbezogene Benachteiligung vor: "Am meisten beschweren sich Studienwerber derzeit über das A2-Niveau, denn nicht jeder kann bereits in seinem Heimatland einen Deutschkurs machen, bevor er nach Österreich kommt." Zu der Anfangshürde kämen die hohen Kosten für die Sprachkurse im Rahmen des VWU. "Leute aus Entwicklungsländern zahlen zwar 470 Euro statt 1200 Euro pro Semester. Ausländische Studierende dürfen aber nur zwanzig Wochenstunden arbeiten. Das ist kompletter Wahnsinn", sagt Novakovic.

Auch Vetter ist der Meinung, dass so Studienwerber aus Nicht-EU-Staaten überdurchschnittlich ausgeschlossen werden: "Ich sehe diese Entwicklung im Widerspruch zum Internationalisierungsgedanken der österreichischen Hochschulen. Ab sofort werden wir andere internationale Studierende ansprechen." Wer die Möglichkeit hat, prinzipiell überall in Europa zu studieren, werde sich von Österreich abwenden, vermutet sie.

Das Bildungsministerium erwartet hingegen, dass die Zahl der Absolventen aus Drittstaaten gleich bleibt und diese Studierenden ihr Studium sogar zügiger abschließen, da sie nun mit qualitativ besseren Voraussetzungen im Sprachbereich beginnen würden.

Kein Studium in Wien

Der ÖH seien hier die Hände gebunden, sagt Novakovic: "Wünschenswert wäre, die Studierenden hätten mehr als vier Semester Zeit für die C1-Prüfung. Außerdem sollte man sie zu mehr Lehrveranstaltungen zulassen."

Stolar hat sich mittlerweile gegen ein Studium in Wien entschieden: "Um eine Sprache zu lernen, brauchst du eine gewisse Motivation, aber auch viel Zeit und Geld. Ich finde es schade, dass ausgerechnet eine Stadt wie Wien dichtmacht." Wohin ihn sein Weg führt, weiß er noch nicht. Sein WG-Zimmer hat er noch bis April. Bis dahin wollte er eigentlich inskribiert sein. (Allegra Mercedes Pirker, 9.3.2019)