Dienstagfrüh trafen einander Kanzler Sebastian Kurz, sein Vize Heinz-Christian Strache, Innenminister Herbert Kickl und Staatssekretärin Karoline Edtstadler zu einem Sicherungshaft-Gipfel.

Foto: Matthias Cremer

Der Kanzler scheint in Sachen Sicherungshaft inzwischen ziemlich empfindlich zu sein. Während seines Pressestatements nach dem Ministerrat am Mittwoch erspäht Sebastian Kurz im Publikum einen "ungläubigen Blick", wie er es formulierte – um prompt zu seiner eigenen Ehrenrettung auszurücken: "Selbst wenn es kein Vertrauen in die Regierung gibt, bitte ich Sie, auf die europäische Landkarte zu schauen." Denn 15 EU-Staaten hätten Varianten der in Österreich geplanten Sicherungshaft bereits umgesetzt.

Beamte entscheiden zuerst

Die türkis-blaue Koalition hat ihre Version nun etwas präzisiert: "Gefährliche" Asylwerber sollen per Anordnung des Amts für Fremdenwesen und Asyl präventiv festgenommen werden können – also ohne eine Tat tatsächlich begangen oder konkret geplant zu haben. Voraussetzung ist eine "erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit", die von den Betroffenen ausgehe.

Binnen 48 Stunden würde ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung beurteilen. Innerhalb von 14 Tagen soll die endgültige Einschätzung erfolgen, welche Maßnahmen zur Deradikalisierung getroffen werden und für wie lange die Sicherungshaft verhängt wird. Maximaldauer: sechs Monate.

SPÖ und Neos skeptisch

Umgesetzt wird das Vorhaben – das Innenminister Herbert Kickl initiiert hatte – wohl aber nicht so bald. Denn dafür müsste die Regierung die Verfassung ändern. Das bedeutet: Sie braucht eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und somit entweder die SPÖ oder Neos.

Beide Oppositionsparteien waren bereits im Vorfeld skeptisch. Die Sozialdemokraten fordern eine Aufklärung des Anlassfalls in Dornbirn (ein Asylwerber hatte einen Beamten erstochen), bevor man zu Gesprächen bereit sei. Die Neos wollen mit der Regierung reden, stellen aber ebenfalls klar: "Mit uns gibt es keine Präventivhaft in der Verfassung."

ÖVP und FPÖ berufen sich auf die Aufnahmerichtlinie der Europäischen Union, die eine Sicherungshaft in Österreich möglich mache. Tatsächlich ist dieser Passus im österreichischen Recht bereits umgesetzt. Mit der seit September 2018 geltenden Fremdenrechtsnovelle wurde er der Schubhaftbestimmung des Fremdenpolizeigesetzes beigefügt.

Richtlinie bereits erfüllt

Laut Paragraf 76, Absatz 2, kann ein Asylwerber während des Asylverfahrens inhaftiert werden, wenn er die öffentlichen Sicherheit und Ordnung gefährdet. Allerdings nur "im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" – also wenn dadurch seine Ausweisung oder gar Abschiebung gesichert wird.

Durch ihren "Konnex zu einer Außerlandesbringung" entspreche diese Sicherungsschubhaft den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich im Verfassungsrang steht, sagt Stephanie Krisper, Menschenrechtssprecherin der Neos – während die Sicherungshaftpläne der Bundesregierung in die Verfassung eingreifen.

Welche Länder Vorbild sind

Jene 15 EU-Länder, auf die sich ÖVP und FPÖ nun berufen, haben die EU-Aufnahmerichtlinie ebenfalls bereits erfüllt. Namentlich handelt es sich um Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Estland, Lettland, Litauen, Griechenland, Irland und Zypern. (Katharina Mittelstaedt, Irene Brickner, 6.3.2019)