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Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist für schwere Menschenrechtsverbrechen zuständig, nicht aber für den Vorwurf des Beitritts zu einer terroristischen Vereinigung.

Foto: ap/Peter Dejong

Seit dem Wochenende ist bekannt, dass sich ein österreichischer IS-Kämpfer in Haft der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) befindet. Dies dürfte kein Einzelfall bleiben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geht von 100 weiteren österreichischen Kämpfern aus, die sich immer noch in Syrien und im Irak aufhalten.

Die Bundesregierung betonte in den letzten Tagen mehrfach ihre vorrangige Schutzpflicht gegenüber der österreichischen Bevölkerung. Die IS-Kämpfer werden als zu großes Sicherheitsrisiko gesehen, als dass man ihre Rückkehr verantworten könne und wolle. Innenminister Herbert Kickl sprach sich für Ad-hoc-Straftribunale in der Region aus, die unter Einbindung der Uno und der EU europäische Foreign Fighters strafrechtlich verfolgen sollen. Diese Herangehensweise ist im internationalen Strafrecht nicht unüblich, denkt man zum Beispiel an das durchaus erfolgreiche internationale Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY).

Hohe Kosten

Der Vorschlag des Innenministers erstaunt insoweit, als dies mit Abstand die teuerste Variante wäre, die Täter einem Strafverfahren zuzuführen. Ad-hoc-Tribunale sind mit enorm hohen Finanzierungskosten verbunden, bei einer notwendigen Dauer von mehreren Jahren summiert sich das schnell in Milliardenhöhe. Kosten, die letztlich von den EU-Mitgliedstaaten getragen werden müssten, sollte Strafgerichtsbarkeit über ihre Staatsbürger ausgeübt werden. Mit Interesse wird zu verfolgen sein, ob sich die Bundesregierung für die Schaffung eines Ad-hoc-Straftribunals einsetzt, werden diese doch üblicherweise durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates eingerichtet. Es ist fraglich, inwieweit Russland, die USA und China davon zu überzeugen sind.

Römisches Statut

Österreich und andere EU-Staaten könnten aber nach dem sogenannten "Römischen Statut" auch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zuständig machen, der über die Kompetenz und Mittel verfügt, sich solch langwieriger und komplexer Strafverfahren zur Verfolgung schwerster Menschenrechtsverbrechen (Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Aggression) der jeweils eigenen Staatsangehörigen anzunehmen.

Allerdings kann der IStGH nur wegen schwerster Menschenrechtsverbrechen angerufen werden, eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ist nicht möglich. Dies darf aber nicht zum Anlass genommen werden, diese Möglichkeit außer Betracht zu lassen. Die EU-Staaten müssen davon Abstand nehmen, die Beteiligung an IS-Kampfhandlungen nur unter dem Blickwinkel des Terrorismusstrafrechts zu sehen. In Österreich erfolgten im letzten Jahr 31 Verurteilungen nach § 278b StGB (Terroristische Vereinigung), aber keine einzige Anklage wegen §§ 321ff StGB (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen).

Gerade anhand der Taten von IS-Kämpfern lässt sich die Verschränkung von Terrorismus- und Völkerstrafrecht sehr gut aufzeigen. Die Beteiligung am IS ist in vielen Fällen mehr als die bloße Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung: Der IS beging an Minderheiten wie den Jesiden potenziell genozidale Verbrechen, Frauen und Kinder wurden versklavt und vergewaltigt, gegnerische Kämpfer zu Tode gefoltert. Diese Verbrechen, zu denen nicht nur die Tat selbst, sondern auch Beihilfe und der Versuch zählen (§§ 12 und 15 StGB), müssen sich in den Anklagen und Verurteilungen widerspiegeln.

Die Strafverfahren sowohl vor Ad-hoc-Straftribunalen als auch vor dem IStGH beanspruchen sehr viel Zeit und Ressourcen und werfen viele Fragen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit auf (z. B. die Unterbringung der Straftäter). Beide Varianten dienen der Aufarbeitung der gesamten Geschehnisse unter Einbindung aller Akteure, stellen aber keine praktikable und rasche Lösung für IS-Kämpfer aus EU-Staaten dar, die jetzt nach Hause drängen.

Personalitätsprinzip

Foreign Fighters müssen nicht notwendig vor ein internationales Tribunal gestellt werden, sie können – und müssen – nach dem sogenannten Personalitätsprinzip von einem Gericht desjenigen Staates zur Verantwortung gezogen werden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Durch die Ratifikation des Römischen Statuts hat Österreich die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, Völkerstrafverfahren vor heimischen Strafgerichten durchzuführen. Eine mangelhafte Umsetzung in nationales Recht sowie fehlende justizielle Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten erschweren aber deren Einleitung.

Die Bundesregierung spricht sich mit Verweis auf das hohe Sicherheitsrisiko der betreffenden Personen gegen Strafverfahren vor heimischen Gerichten aus. Laut dem (nicht grundsätzlich zuständigen) Generalsekretär des Innenministeriums Peter Goldgruber sind Gräueltaten dort zu verantworten, wo sie begangen wurden. Diese Sichtweise widerspricht nicht nur der – auf das Römische Statut, die UN-Völkermordkonvention und die Genfer Konventionen über humanitäres Völkerrecht gegründeten – Verpflichtung, schwerste Menschenrechtsverbrechen nicht ungestraft zu lassen, sondern stützt sich auch auf eine trügerische Risikoeinschätzung: Wenn nicht jetzt IS-Kämpfer aus EU-Staaten vor nationalen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden, wird die Chance verwirkt, sie langfristig europäischer Strafjustiz zu unterwerfen. Schon vergessen scheinen die Mudschahedin-Brigaden im Bosnienkrieg, als tausende muslimische Kämpfer nach Ende des Afghanistan-Kriegs die Chance ergriffen, in Europa in den bewaffneten Kampf zu ziehen. Die in Syrien und Irak begangenen Verbrechen dürfen aus rechtlichen wie ethisch-moralischen Gründen nicht ungesühnt bleiben. (Hannes Tretter, Andreas Sauermoser, 7.3.2019)