Johannes Dürr wollte gedopt zur WM laufen.

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Dominik Baldauf und Max Hauke liefen gedopt bei der WM.

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Shakespeare, aber auf der Stegreifbühne, ein großes Drama, von einer Laientruppe gegeben. Im Zentrum: Johannes Dürr. Eine Woche nach der "Operation Aderlass", nach den Dopingrazzien während der nordischen WM in Seefeld und in Erfurt, die nicht zuletzt seine Hinweise ermöglicht haben sollen, wurde ruchbar, dass der 31-jährige Niederösterreicher selbst bis in jüngste Zeit Blutdoping betrieben hat. Offenbar, um mit aller Macht einen Platz im österreichischen Langlaufteam für die WM zu ergattern.

Dürr war am Dienstag überraschend unter Betrugsverdacht in Innsbruck festgenommen und wenige Stunden später, nach einem ausführlichen Geständnis, wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Er war selbst in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt, weil ihn die beiden in Seefeld ertappten österreichischen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf belastet hatten. Dürr habe sie an den Erfurter Mediziner S. verwiesen, der offenbar im Mittelpunkt des Skandals steht und in Untersuchungshaft sitzt.

Allerhand Anschuldigungen

Dürr hat diesen zuvor schon von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel erhobenen Vorwurf noch vor seiner Festnahme und bei der Staatsanwaltschaft bestritten. Hauke und Baldauf wiederholten ihn allerdings in einem Interview mit der "Kronen Zeitung", dem Sponsorpartner des österreichischen Skiverbands (ÖSV), der allen Grund hat, Dürr zu grollen. Schließlich hatte der in der vor der WM ausgestrahlten ARD-Doku "Die Gier nach Gold" angegeben, dass er einst auch von Personal des ÖSV bei unerlaubten Praktiken unterstützt worden sei.

Hauke und Baldauf gaben im Zeitungsinterview die reuigen Sünder, sprachen von Doping als dem größten Fehler ihres Lebens, von ihrem Traum, Mediziner (Hauke) beziehungsweise Polizist (Baldauf) zu werden, und entschuldigten sich ausführlich. Im Frühjahr 2014 war es an Dürr gewesen, sich zu entschuldigen, "bei meiner Familie, bei meiner Frau. Ich bin auf der anderen Seite froh, dass das ein Ende hat", sagte Dürr, nachdem er während der Olympischen Spiele in Sotschi des Dopings überführt worden war.

Johannes Dürr anno 2011.
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Wenige Stunden vor seinem geplanten Einsatz über 50 Kilometer Skating, in dem er als Medaillenkandidat galt, war sein positiver Test auf Erythropoietin (Epo) bekannt geworden. "Es ist in jeglicher Hinsicht das Schlimmste, was ich in meinem Leben gemacht habe", sagte Dürr damals. "Zu dopen war der größte Fehler meines Lebens", sagte Baldauf nun der "Krone".

Allerhand gute Vorsätze

Wie dieser nun hatte Dürr die besten Vorsätze: Ende des Leistungssports, volle Kooperation mit den Behörden, teilweise Wiedergutmachung des Schadens, Konzentration auf den Beruf – der Zoll ließ Gnade walten – und die Familie. Die zerbrach allerdings. Seine Ehe mit einer italienischen Ex-Biathletin wurde geschieden, den gemeinsamen Sohn sieht er aber regelmäßig.

Nach Ablauf seiner zweijährigen Dopingsperre war die Absage an den Leistungssport vergessen, Dürr forderte und bekam vom ÖSV nach kurzem juristischem Strauß die Lizenz, allerdings wie angekündigt keinerlei Unterstützung oder auch nur Hoffnung auf einen Kaderplatz.

Dürr bei den Olympischen Spielen 2014.
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Der solcherart Geächtete, der ursprünglich nur Volksläufe bestreiten wollte, arbeitete da schon längere Zeit mit dem Hobbylangläufer und Autor Martin Prinz zusammen. Ihr Projekt "Der Weg zurück" verfolgte zwei Ziele – ein gleichnamiges Buch, das im Jänner erschien, und einen Start Dürrs bei der nordischen WM in Seefeld als vierter Mann einer ÖSV-Staffel.

Allerhand schöne Versprechen

Zur Finanzierung wurde ein Crowdfunding ins Leben gerufen, das rund 39.000 Euro einbrachte, Dürr aber nun in die größte Verlegenheit bringen könnte. Bei Erreichen des ersten Fundingziels (35.000 Euro) wurde gleichsam die Mitgestaltung des letzten Buchkapitels in Aussicht gestellt, indem Dürr sein Training in Hinblick auf die WM starten könne. Das zweite Fundingziel wären 80.000 Euro gewesen. "Mit jedem Cent mehr kann Johannes auch am Materialsektor mithalten, mehr Trainingslager und Wettkämpfe absolvieren. Du erhöhst die Chance auf ein Happy End", hieß es.

Blutdoping wäre wohl niemandem der 184 Unterstützerinnen und Unterstützer in den Sinn gekommen. Zumal Dürr auch leistungsmäßig weit weg von der Chance war, den ÖSV bezüglich WM-Nominierung in Zugzwang zu bringen. Martin Prinz zeigte sich am Mittwoch über Dürrs Geständnis erschüttert. Dieser bestätigte dem ARD-Experten Hajo Seppelt, er habe noch vor kurzem mithilfe des Erfurter Mediziners S. gedopt.

Dafür, dass aus der Stegreifaufführung frei nach Shakespeare kein noch größeres Drama wird, könnte Besonnenheit in der Politik sorgen. Österreichs Antidopinggesetz erscheint ihr streng genug. "Ich bin an der Aufklärung interessiert, werde aber die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten, ehe geprüft wird, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind", sagte Sportminister Heinz-Christian Strache am Mittwoch. (Sigi Lützow, 6.3.2019)