"Ohne Frauen würde das Gesundheitssystem zusammenbrechen", sagt Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender-Medizin an der Med-Uni Innsbruck. Allein deshalb sollten die Rahmenbedingungen für Medizinerinnen besser werden.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Wien – Knapp die Hälfte (47,6 Prozent) aller Mediziner in Österreich sind Frauen, in der oberen Hierarchieebene – unter den Primarärzten – sind sie aber nur zu zwölf Prozent vertreten. "Das Gesundheitssystem wird immer noch in weiten Teilen von Männernetzwerken dominiert", sagt Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender-Medizin an der Med-Uni Innsbruck.

Das ist einer der Gründe dafür, warum Frauen es schwer haben, in Führungspositionen zu kommen. Diese fehlenden Netzwerke – seien es der Österreichische Cartellverband oder die Freimauer – schanzen sich die Posten untereinander zu, "oft ganz unbewusst, man schlägt Leute vor, die man kennt. Insofern bleiben die Frauen eher Einzelkämpfer. Wer Beruf und Familie unter den Hut bekommen muss, hat wenig Zeit und Energie, sich in Netzwerken zu engagieren", so Hochleitner.

Das Problem ist vielschichtig, wie eine aktuelle Befragung im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer gezeigt hat. Schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mangelnde Förderung durch die meist männlichen Vorgesetzten sehen die Medizinerinnen als die größten Karrierehürden.

Familiäres versus berufliches Glück

Die Studie ist zwar nicht repräsentativ, es lassen sich trotzdem Tendenzen ablesen. Insgesamt wurden 2.497 österreichische Ärztinnen online befragt, das entspricht 11,3 Prozent der Grundgesamtheit. Insgesamt gab ein Drittel der Studienteilnehmerinnen an, nicht in dem Fachbereich tätig zu sein, auf den sie sich ursprünglich spezialisieren wollten. Bei 42 Prozent von ihnen war die Familienplanung dafür ausschlaggebend. Insgesamt wurde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit einem Mittelwert von 3,2 als eher mäßig beurteilt.

Vor allem die Familiengründung ist es, die Frauen in die Bredouille bringt, denn die Kinderbetreuung wird dann zu einer organisatorischen Monsteraufgabe – vor allem im Westen Österreichs, wo es kaum Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren gibt, wo Ganztagesschulen de facto nicht existieren oder Betreuungseinrichtungen erst um halb acht aufsperren. "Als Ärztin musst du aber um sieben Uhr bei der Morgenbesprechung sein, und die Kinder kannst du nicht mitnehmen", so Hochleitner, die als Frauenbeauftragte an der Med-Uni Wien ein Büro eingerichtet hat und Mitarbeiterinnen bei der Suche nach einem passenden Betreuungsplatz hilft.

Insgesamt zählen Familienplanung und Kinderbetreuung zu den am häufigsten genannten Karrierehindernissen: Fast zwei Drittel der befragten Ärztinnen (61 Prozent) sehen diese Parameter als Grund dafür, beruflich nicht entsprechend weiterzukommen. Danach folgen zu wenig Förderung durch Vorgesetzte (37 Prozent), zu wenig Förderung in der Turnusausbildung in relevanten Wissensbereichen (32 Prozent), die Bevorzugung von Männern bei interessanten Jobs oder Führungspositionen (31 Prozent) und der Umstand, dass Ärztinnen generell weniger zugetraut wird als Ärzten (30 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich.

Berufliches Nischendasein

Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie dürfte ausschlaggebend dafür sein, dass deutlich mehr Medizinerinnen, die derzeit noch im Krankenhaus arbeiten, eher in den Wahlarztbereich tendieren als in den Kassenbereich. Fast die Hälfte der Spitalsärztinnen (46 Prozent) überlegt diesen Wechsel. Petra Preiss, zuständig für Gender-Mainstreaming in der Ärztekammer, führt das darauf zurück, dass Kinderbetreuung vorwiegend noch immer Frauensache sei. Demnach gaben 67 Prozent der befragten Ärztinnen an, den Großteil der Kinderbetreuung zu übernehmen. In nur sechs Prozent der Fälle ist es der Partner, rund ein Viertel macht halbe-halbe.

"Es stimmt also nach wie vor das Klischee, wonach der Mann Karriere macht, währenddessen die Frau jene beruflichen Nischen sucht, die in Einklang mit der Kinderbetreuung stehen", interpretiert Preiss das Ergebnis. "Den Verantwortlichen sollte klar sein, dass wir längst nicht mehr für die Rechte der Frauen im Gesundheitssystem kämpfen, sondern wir kämpfen um das Gesundheitssystem selbst, das ohne Frauen zusammenbrechen würde", ergänzt Hochleitner. Eine politische Forderung könnte sein, dass Kommunen verpflichtet werden, öffentliche Kinderbetreuung sicherzustellen. "Derzeit bringen wir die Kinder praktisch nur bei privaten Kindergärten und Horten unter", kritisiert Hochleitner.

Ein positives Ergebnis hat die Befragung dennoch ergeben: 62 Prozent der befragten Ärztinnen sind (sehr) zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Lediglich drei Prozent gaben an, gar nicht zufrieden zu sein. Am zufriedensten sind niedergelassene Fachärztinnen (80 Prozent), am wenigsten zufrieden zeigten sich Ärztinnen in Ausbildung – hier liegt der Anteil der mäßig bis wenig Zufriedenen bei 44 Prozent. (gueb, pok, 8.3.2019)