Früher war nicht alles besser. Schon gar nicht der Aschermittwoch. Die Bierdunstreden, die Jörg Haider nach Österreich importiert und sein Imitator Heinz-Christian Strache fortgesetzt hat, waren ein jährlicher Aufreger. Zu Recht, denn was hier an ausländer- und EU-feindlichen und antisemitischen Sagern gepoltert wurde, überschritt immer wieder Grenzen.

Heute sorgen die Aschermittwochsauftritte für keine große Empörung mehr. Vielleicht wurden sie durch die Regierungsbeteiligung auch eine Spur schaumgebremster. Aber bei genauerer Betrachtung hat sich nicht viel verändert: Vizekanzler Strache hat etwa die Hetzkampagne Viktor Orbáns gegen Juncker verteidigt und der Oppositionspartei SPÖ "Krankheit" unterstellt.

Die Aufregung über die Aschermittwochsreden hält sich heute auch deswegen in Grenzen, weil der politische Tagesdiskurs mittlerweile ähnlich geführt wird wie die alten Rülpser beim Heringsschmaus – wenn nicht noch härter. Alleine der Begriff "Ausreisezentrum", den der Innenminister, Haiders ehemaliger Aschermittwochsredenschreiber, für Aufnahmestellen offiziell verwendet, spricht Bände. Dass dies beim Koalitionspartner dem neuen Miteinanderstil zuliebe nicht einmal Achselzucken hervorruft, ebenso.

Wir haben täglich Aschermittwoch. Die Zuspitzungen, die früher zumindest zeitlich und örtlich begrenzt waren, sind zu einem rhetorischen Dauerrausch ausgeartet. (Rainer Schüller, 7.3.2019)