Immer wieder demonstrieren Menschen in Dänemark dafür, dass die Zustimmung der Frau zum Sex auch im Gesetz verankert wird.

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Viermal musste Kristine die Geschichte ihrer Vergewaltigung erzählen. Dreimal versuchte die Dänin, Anzeige gegen ihren Angreifer zu erstatten. Dreimal verwiesen Polizisten sie weiter. Beim ersten Versuch via Telefon wurde sie informiert, dass nicht die Polizeidienststelle ihres Heimatortes, sondern jene in Kopenhagen zuständig sei. Dort sei der angegebene Übergriff passiert.

Der Beamte in Kopenhagen informierte sie, dass gerade keiner der Kollegen Zeit habe und sie sowieso persönlich vorbeikomme müsste. Das sollte sie in ihrem Wohnort machen. Der Polizist dort informierte sie, dass eine Falschaussage strafbar sei, sie ins Gefängnis gehen könnte und überhaupt habe er noch nie eine Vergewaltigungsanzeige aufgenommen. Schließlich leitete er sie an eine Polizeidienststelle weiter, die zwanzig Kilometer entfernt war.

Gesetzeslücken

Kristines Geschichte ist Teil eines Reports der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die Dänemarks Umgang mit Vergewaltigungsopfern kritisiert. Denn obwohl das Land immer wieder mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verbunden wird, gibt es Lücken in der Gesetzgebung. So wird noch immer eine Vergewaltigung dadurch definiert, dass Gewalt angedroht oder eingesetzt wird.

Auch wird der Straftatbestand allein auf Penetration und nicht auf Oralverkehr angewandt. Das Opfer muss sich körperlich wehren. Ein einfaches Nein genügt nicht. "Es ist ganz einfach: Sex ohne Einwilligung ist Vergewaltigung. Solange dies rechtlich nicht anerkannt wird, bleiben Frauen weiterhin sexueller Gewalt ausgesetzt", wird Amnesty-Generalsekretär Kumi Naidoo in einer Aussendung zitiert.

Fehlendes Vertrauen

Kristines Geschichte ist außerdem ein Beispiel dafür, wie wenig geschult Polizeibeamte im Umgang mit Opfern sexueller Gewalt sind. Zwar gibt es in Dänemark die Möglichkeit, einen rechtlichen Berater zu erhalten, doch sind diese in der Praxis oft nicht verfügbar, heißt es in dem Amnesty-Bericht.

Das fehlende Vertrauen in die Behörden schlägt sich auch in Zahlen nieder. Laut Schätzungen der Süddänischen Universität wurden im Jahr 2017 rund 24.000 Frauen vergewaltigt. Offizielle Statistiken zeigen, dass im gleichen Jahr nur 890 Vergewaltigungen angezeigt wurden. Davon landeten 535 vor dem Richter und in nur 94 Fällen kam es zu einer Verurteilung.

Justizminister reagiert

Obwohl Dänemark die sogenannte Istanbul-Konvention im Kampf gegen Gewalt an Frauen ratifiziert hat, erhebt die Regierung in Kopenhagen laut Amnesty zu wenige Statistiken im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen. Dazu wäre sie aber verpflichtet. So wird nicht erhoben, welche sexuelle Orientierung die Opfer haben, ob sie behindert sind oder in welchem Verhältnis sie zu dem Täter stehen.

Dänemarks Justizminister Soren Pape Pulsen reagierte auf den Bericht und forderte "eine neue Gesetzgebung, die definiert, dass Sex immer freiwillig passieren muss", hieß es in einer Aussendung des Ministeriums.

In Österreich muss eine Vergewaltigung ebenso mit Gewalt einhergehen, um strafbar zu sein. Jedoch zählen auch orale Handlungen. Im Straftatbestand der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung kommt es allerdings auf den Willen der Person an. Die Strafandrohung beträgt bei Letzterem allerdings nur zwei statt zehn Jahre Haft. Amnesty Österreich kritisiert das. "Sex ohne Einwilligung gilt in Österreich nach wie vor gesetzlich nicht als Vergewaltigung. Das muss geändert werden", sagt Geschäftsführerin Annemarie Schlack dem STANDARD. Ansonsten würden Vergewaltiger weiterhin mit ihren Verbrechen davonkommen. (Bianca Blei, 8.3.2019)