Dieser Eisberg wurde 1985 im Weddell-Meer nahe der antarktischen Küste gesichtet.
Foto: AGU/Journal of Geophysical Research: Oceans/Kipfstuhl et al

Washington – Weiß mit leichtem Blaustich – so sollte ein Eisberg normalerweise aussehen und tut das in aller Regel auch. Das Bläuliche rührt daher, dass reines Wassereis die roten Anteile im Spektrum des Sonnenlichts stärker absorbiert als die blauen. Für das überwiegende Weiß wiederum sorgt die Streuung durch im Eis enthaltene Luftbläschen: Eisberge sind das Endprodukt abgebrochener Gletscher, und Gletscher bilden sich, indem sich Schneemassen übereinander legen – ein Prozess, bei dem auch Luft eingeschlossen wird.

Grüne Eisberge sind kein Seemannsgarn

Spätestens seit dem 20. Jahrhundert gibt es jedoch auch Seefahrerberichte, die von smaragd- oder jadegrünen Eisbergen sprachen, insbesondere in antarktischen Gewässern. Inzwischen weiß man längst, dass es sich dabei um kein Seemannsgarn handelte, entsprechende Eisberge sind dokumentiert. Die Dokumentationen enthalten bislang aber immer noch keine endgültig gesicherte Erklärung für die Farbverschiebung.

Hypothesen gibt es verschiedene: Eine Vermutung besagt, dass es sich um Algenbewuchs an der ursprünglichen Unterseite handeln könnte, der Eisberg aber irgendwann gekippt ist und sich daher nun lebendig grün präsentiert. Eine andere geht von organischen Partikeln im Eis selbst aus. Nun stellen Forscher der American Geophysical Union im "Journal of Geophysical Research: Oceans" eine neue Erklärung vor und hoffen, endlich die Lösung gefunden zu haben: Eisenpartikel sollen den Effekt hervorrufen.

Hier sorgt eine Schicht aus Meereis für kräftiges Blau.
Foto: Stephen Warren/University of Washington

Den Glaziologen Stephen Warren von der University of Washington treibt das Rätsel der Grünlinge um, seit er 1988 im Rahmen einer australischen Forschungsexpedition selbst einen grünen Eisberg gesichtet und sogar Proben entnommen hat. Außer der Farbe fiel ihm damals auch auf, dass der Eisberg außergewöhnlich klar war: ein Zeichen dafür, dass sich dieses Eis nicht wie oben beschrieben aus akkumuliertem Schnee gebildet hat, sondern aus gefrorenem Meerwasser entstanden ist, in dem keine "störenden" Lufttaschen enthalten sind.

Ein Teil des Prozesses ist laut Warren also sehr leicht nachvollziehbar: An der Unterseite eines übers Meer ragenden Stückes Schelfeis friert Meerwasser fest. Aber warum ist dieses nicht immer so blau wie in obigem Bild? Warren vermutete seinerzeit, dass das Wasser mit organischen Partikeln tierischer oder pflanzlicher Herkunft verunreinigt gewesen sei. Organischer Kohlenstoff ergebe während des Auflösungsprozesses eine gelbliche Note, die sich mit dem Blau des reinen Wassers zu Grün verbinde.

Der neue Faktor

Als genaue Analysen Mitte der 90er Jahre ergaben, dass das grüne Eis keinen höheren Anteil organischer Stoffe enthielt als herkömmliches blaues, musste Warren diese Hypothese aber leider zu den Akten legen. Und an die 20 Jahre auf eine Antwort warten. Die könnte schließlich mit einer Untersuchung gekommen sein, die Forscher der University of Tasmania an Bohrkernen aus dem Amery-Schelfeis der Ostantarktis durchführten. Ihr Ergebnis: Die Meereis-Schichten eines Eisbergs enthalten fast 500 Mal so viel Eisen wie das darüber liegende Gletschereis.

Warrens Gedankengang: Eisenoxide in Boden und Gestein liegen im Spektrum von Braun-, Rot- und Gelbtönen. Beim richtigen Anteil könnte das in Kombination mit dem Eis-Blau zu grüner Optik führen. Weitere Expeditionen sollen daher die Eisenanteile verschieden gefärbter Eisberge miteinander vergleichen.

Woher das Eisen kommt, ist laut dem Glaziologen wesentlich einfacher zu beantworten: Es sei zermahlenes Gestein vom antarktischen Festland, das von den Gletschern auf ihrem Weg zum Meer an der Unterseite mitgeschleppt wird, als Staub ins Meer rieselt und noch vor dem Absinken gefangen wird, wenn ringsherum das Wasser gefriert.

AGU

Damit könnte Eisbergen eine unerwartete ökologische Funktion zukommen: Eisen ist ein wichtiger Dünger für das Phytoplankton, im Meer normalerweise aber nur in sehr geringen Konzentrationen vorhanden. Eisberge, die bis zu ihrem endgültigen Schmelzen über tausende Kilometer reisen können, würden damit hohe Konzentrationen von Eisen in bedürftige Gebiete transportieren und den lokalen marinen Nahrungsketten eine wertvolle Ressource liefern.

Warren vergleicht die Eisenlieferungen der Eisberge mit Paketen, die man mit der Post verschickt. Man könnte sie auch als Äquivalent privater Zustelldienste bezeichnen, da niemand vorhersagen kann, wo das Paket letztlich abgegeben wird ... Auf jeden Fall sind die grünen Eisberge damit aber noch ein Stück interessanter geworden. Warren abschließend dazu: "Wir dachten immer, dass grüne Eisberge nur eine exotische Kuriosität seien, doch nun glauben wir, dass sie tatsächlich wichtig sein könnten." (Jürgen Doppler, 10. 3. 2019)