Am Frauentag gibt es auch in Berlin eine große Demonstration. Das Motto lautet "Feiern – Streiken – Weiterkämpfen".

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Ausschlafen, lange frühstücken, spazieren gehen: Zwei Millionen Berliner – jene mit Job – können sich heute am Frauentag auf einen freien Tag freuen. Shoppen allerdings ist nicht möglich, da müsste man ins benachbarte Brandenburg ausweichen. In der deutschen Hauptstadt bleiben die Läden geschlossen, denn der 8. März ist in Berlin erstmals ein gesetzlicher Feiertag.

Nicht zur Ruhe kommen wird hingegen jene Frau, die den Anstoß dazu gegeben hat. "Ich bin nur unterwegs", sagt Iris Spranger, Abgeordnete und stellvertretende SPD-Chefin von Berlin. Sie will auf die große Demo, es gibt Diskussionsrunden, viele, die den Frauentag feiern, wollen etwas von ihr. Natürlich hat die 57-Jährige den Frauen-Feiertag nicht allein erfunden. Aber sie hatte großen Anteil daran.

Dass Berlin nicht reich ist, ist bekannt. Schulen sind marod, Schwimmbäder wurden geschlossen, vor allem im Ostteil gibt es eben viele Sozialhilfeempfänger. Doch die deutsche Hauptstadt leidet auch an einem Feiertagsmangel. Von allen 16 Bundesländern hat Berlin die wenigsten gesetzlichen Feiertage – bloß neun. In Bayern und Baden-Württemberg sind es 13 beziehungsweise zwölf.

Zehntausende unterzeichneten Petition

Im Juni 2018 kam im rot-rot-grünen Senat daher die Idee auf, den Berlinern einen Feiertag zu "schenken". Aber welchen bloß? "Ich bin für den 8. März, den Frauentag", sagte Spranger im Vorbeigehen zu Journalisten, als sie in eine Sitzung hastete. Eine Stunde später waren die Agenturen schon aufgesprungen, die Idee hatte sich sofort verbreitet und fand bei den Berliner Sozialdemokraten großen Anklang. 30.000 Menschen – davon 40 Prozent Männer – unterzeichneten eine Petition, SPD, Linke und Grüne votierten einstimmig für den neuen Feiertag.

Nun ist es so weit, und Berlin befindet sich in Gesellschaft von (unter anderem) Angola, Aserbaidschan, Eritrea, Georgien, Kambodscha, Kuba, Russland, Uganda und der Ukraine. Dort ist der 8. März auch ein Feiertag.

"Ich bin stolz", sagt die deutsche Frauenministerin Franziska Giffey (SPD), die ebenfalls aus Berlin stammt. "Wir ehren unsere Vorkämpferinnen, die bereits viel erreicht haben. Wir erinnern natürlich auch vehement daran, dass es bis zu echter Gleichberechtigung noch ein weiter Weg ist." Spranger und Giffey wünschen sich, dass der Frauentag auch in anderen deutschen Ländern Feiertag wird. "Das ist ein Signal für Gleichstellung, und Berlin hat eine Sonderrolle", sagt Spranger.

Nicht alle sind begeistert

Doch die Begeisterung über den neuen Frauentag teilen nicht alle. In der oppositionellen CDU spricht man mit Blick auf die DDR, wo der Frauentag groß zelebriert wurde, von "rein sozialistischer Tradition". CDU-Generalsekretär Stefan Evers ist sich sicher: "Die Mehrheit der Bürger kann damit nichts anfangen."

Die Kirchenverbände hätten auch lieber den Reformationstag (31. Oktober) freigegeben, der in den anderen ostdeutschen Ländern und seit 2018 auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen ein gesetzlicher Feiertag ist.

Unzufrieden ist die Industrie- und Handelskammer (IHK), zumal das entsprechende Sonn- und Feiertagsgesetz erst im Februar auf den letzten Drücker geändert wurde und viele Dienstpläne über den Haufen geworfen hat. "Die Politik macht hier ein kostspieliges Wählergeschenk", sagt der Hauptgeschäftsführer Jan Eder.

Durch den Feiertag werde das BIP Berlins um 160 Millionen Euro geschmälert. Das Gorki-Theater musste die Premiere eines Stückes um einen Tag verschieben, weil die Mitarbeiterinnen an einem "feministischen Streik" teilnehmen wollen.

Auch die Bundesregierung hat frei

Vom Feiertag profitiert auch die Bundesregierung. Ministerien und andere Bundesbehörden sind geschlossen, der Rest von Deutschland arbeitet. In dieser Form hat es das noch nicht gegeben.

Ob es nicht eigentlich der Sache dienlicher wäre, wenn Frauen am 8. März in ihren Betrieben für ihre Sache werben, anstatt blauzumachen, wird Spranger oft gefragt. Ihre Antwort: "Nein, ich freue mich, wenn die Frauen ein tolles Wochenende haben und sich erholen."

Sie und Giffey haben auch nichts dagegen, wenn sie am heutigen Frauentag von den Männern Blumen bekommen. "In der DDR gab es in einer Feierstunde von den Männern immer Nelken als Anerkennung", erinnert sich Spranger. 2020 übrigens wird es keine Debatten über den neuen Feiertag geben, da er auf einen Sonntag fällt. Die Berliner bekommen dennoch einen extra Ferientag. Der Senat hat beschlossen, den 8. Mai einmalig zum gesetzlichen Feiertag zu erklären, um an den 75. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. (Birgit Baumann aus Berlin, 8.3.2019)