Bild nicht mehr verfügbar.

Emojis haben die digitale Welt erobert. Ursprünglich kommen sie aus Japan.

Foto: AP

Lachen, weinen, speiben, Zombie: Egal welche Gefühlswelt wir in unserer digitalen Kommunikation darstellen wollen, mittlerweile gibt es dafür eine Reihe an Emojis. Mit wenigen Tippslern werden Online-Gespräche mit Symbolen erweitert, die uns künstliche Mimik erlauben. In sozialen Medien sind Emojis mittlerweile mindestens genauso wichtig wie Satzzeichen. Doch wie landen die Icons eigentlich auf dem Handy?

Eine Antwort liefert die Netzaktivistin Jennifer 8. Lee. Sie war maßgeblich an der Kreation von mehr als 50 Emojis beteiligt. Aktuell arbeitet sie an einer Dokumentation über Emojis. Zudem ist sie Teil des Unicode-Konsortiums, jener Organisation, die für eine einheitliche Kodierung bei den Symbolen sorgt. Der gemeinnützige Verein aus Kalifornien, dessen Vorstand aus Mitarbeitern großer Techfirmen besteht, kümmert sich seit 1991 um die einheitliche Textausgabe in Programmiersprachen, seit 2010 um die kleinen Piktogramme. Der Verein hat in dieser Woche 61 neue Emojis für 2019 vorgestellt – darunter etwa ein Flamingo, ein Hörgerät und ein Eiswürfel.

Langer Prozess

Bis ein Emoji wirklich veröffentlicht wird, muss es im Konsortium einen langwierigen Prozess durchlaufen.

  • Idee "Wer eine Idee hat, sendet einen Vorschlag an das Unicode-Konsortium und beantwortet eine Fülle an Fragen", beschreibt Jennifer 8. Lee den ersten Schritt. Gute Chancen hätten Vorschläge, die schon oft genannt wurden oder visuell deutlich erkennbar sind.
  • Prüfung Der Emoji-Unterausschuss des Unicode-Konsortiums prüft diese Kriterien dann. Dabei kommuniziert er auch mit jenen Mitgliedern, die eine visuelle Vorlage schaffen müssen.
  • Abstimmung Daraufhin landet das Emoji beim technischen Ausschuss der Organisation. Er tagt viermal im Jahr und entscheidet, welche Emojis in der nächsten Version von Unicode aufgenommen werden sollen.

Dabei vergeht viel Zeit, sagt Lee dem STANDARD. Zum Beispiel bei dem Kopftuch-Emoji, das im November 2017 aufgenommen wurde. Die saudi-arabische Schülerin Rayouf Alhumedhi ist für dessen Existenz verantwortlich.

Die in Wien lebende Jugendliche wollte sich repräsentiert fühlen – und wandte sich an das Konsortium. Sie bekam Hilfe von Lee, insgesamt dauerte es 14 Monate, bis ihr Wunsch Realität wurde. "Das ist sogar ziemlich schnell, sie hat es gerade am Ende einer Periode erwischt", sagt Lee.

In der Dokumentation "Picture Character", an der Jennifer 8. Lee beteiligt ist, werden drei Personen bei der Entstehung "ihres" Emojis begleitet – eine davon ist die Wien lebende Rayouf Alhumedhi.
Foto: picture camera/lucy martens/tribeca

Zumeist dauert der Prozess 18 bis 24 Monate. Danach sind Hersteller dran, die ihr eigenes Design eines Emojis entwickeln und integrieren müssen. Wie lange es dann noch dauert, bis das Emoji auf einem Gerät landet, liegt also an Apple, Google und Konsorten. Manchmal entscheiden sich Firmen auch dazu, ein Emoji abzuändern. Das wohl prominenteste Beispiel dafür ist das Pistolen-Emoji: Zunächst als reguläre Schusswaffe dargestellt, änderte Apple das Symbol 2016 zu einer Wasserpistole. Später folgten andere Hersteller dem Beispiel. In China ist die Flagge von Taiwan auf iOS-Geräten ausgeblendet.

Erfindung aus Japan

Der bürokratische Aufwand war nicht immer so groß. Das Emoji in seiner aktuellen Form ist rund 20 Jahre alt, erst seit ungefähr neun Jahren kontrolliert das Unicode-Konsortium, welche Symbole integriert werden. Es stammt ursprünglich aus Japan: Dort beschäftigte sich der Künstler Shigetaka Kurita 1999 mit der Frage, wie man Informationen in Symbole übersetzen kann, die nur wenige Pixel groß sind. Ziel war es, ein Feature für die Chatdienste japanischer Mobilfunker zu schaffen.

Insgesamt kreierte er 176 Emojis, die rasch von anderen japanischen Firmen kopiert wurden. In Europa und in den USA waren sie aber noch in weiter Ferne, da benutzte man noch Zeichenkombinationen wie ":D" oder Abkürzungen wie "Lol". Erst mit dem Aufstieg der Smartphones 2007 begann der weltweite Siegeszug der Emojis.

Die Bürokratie macht es möglich

Mitarbeiter von Apple und Google hatten den japanischen Mobilfunkmarkt genau studiert, da dieser damals viel weiter entwickelt war. Die Popularität der Emojis war ihnen nicht verborgen geblieben. Doch die US-Konzerne wollten keine Alleingänge, sondern einen globalen Standard durchsetzen. Deshalb wandten sie sich an das Unicode-Konsortium und ersuchten um eine Aufnahme der Emojis in deren Aufgabenbereich. Nach einiger Überlegungszeit gab er 2010 grünes Licht – zum Leidwesen einiger Mitglieder. "Gerade weil eine seriöse Institution sich dem annahm, sind Emojis heute so populär", sagt Lee.

Missverständnisse

2011 folgte die Emoji-Tastatur in Apples Betriebssystem iOS, 2013 zog Android gleich. Plötzlich waren Emojis omnipräsent, bildeten aber nur einen kleinen Teil der Welt ab. Sie zeigten weiße Menschen und heterosexuelle Paare. Mimik und Gestik, aber auch Flora und Fauna waren japanisch und US-amerikanisch geprägt. Das führt bis heute zu eigentlich "falschen" Einsätzen von Emojis. Ein müdes Gesicht mit einem Wassertropfen wird hierzulande oft für "Schnupfen" oder "Trauer" verwendet. Doch der Tropfen symbolisiert in japanischen Mangas, dass die Person schläft.

Pfirsiche und Melanzani

Emojis sind auch noch linguistische Verhandlungsmasse: Was sie bedeuten, bestimmen Nutzer selbst – man frage etwa das Melanzani- oder das Pfirsich-Emoji, deren Verwendung meist in nicht ganz jugendfreiem Kontext erfolgt.Der Emoji-Unterausschuss des Unicode-Konsortiums sei mittlerweile weitaus diverser als noch vor einigen Jahren, sagt Lee. Der Vorstand, in dem hauptsächlich Mitarbeiter großer Techfirmen sitzen, ist jedoch weiterhin vorwiegend männlich. Außerdem sind die meisten Mitglieder US-Unternehmen.

Dennoch: Heute gibt es Emojis von Menschen in mehreren Hautfarben, zudem kommen immer wieder Symbole für diversere Gruppierungen dazu – etwa das Kopftuch-Emoji oder aber das Emoji für Hörgeräte. (Muzayen Al-Youssef, Fabian Schmid, 8.3.2019)