Entbürokratisieren, Entrümpeln ist ein Thema, das von der Politik aufgegriffen ist, jetzt aber einfach umgesetzt gehört.

Foto: Alexander Schwarzl

Sporen hat er sich in Russland und Polen verdient. Unter anderem mit der Sanierung eines Steinwolleherstellers, an dem damals neben Vater Christoph Leitl auch der einstige Baulöwe Alexander Maculan beteiligt war. Dann wurde Stefan Leitl ins Familienunternehmen beordert. In die Politik zieht es ihn – derzeit – nicht. Jetzt spielt der ausgebildete Pianist bis auf Weiteres auf der Klaviatur der Baustoffindustrie.

STANDARD: Wir sitzen in der Leitl-Straße 1. Wie kommt man zu so einer exklusiven Adresse? Bietet die der Bürgermeister an?

Leitl: Die Leitl-Straße gibt es schon lange. Sie hat zuerst Obermayr-Straße geheißen, nach den Gründern. Die Familie Obermayr ist Anfang der 1930er-Jahre in die Familie Leitl übergegangen. Da hat man wohl gesagt, okay, da macht man die Leitl-Straße draus.

STANDARD: Sie haben die Führung in einem Familienclan mit mehreren Familienzweigen übernommen. An solchen Übergaben zerbrechen oft Firmen und Familien. Hat Sie das nicht abgeschreckt?

Leitl: Es hat ganz gut geklappt, weil die Ebene davor, die Geschwister untereinander, sehr viel ausreden. Zweitens haben wir gesagt, wir nehmen, obwohl wir eine GmbH sind, einen Aufsichtsrat hinein, als sehr starkes Gremium mit sehr vielen Kompetenzen.

STANDARD: Vizeaufsichtsratschef ist Ihr Vater. Wie lange bleibt man Sohn von ...?

Leitl: Der bleibt man immer. Ich gehe mit zunehmendem Alter gelassener damit um. Als Teenager war es nicht immer ganz lustig, wenn Du "der Sohn von" bist und in eine Schublade gesteckt wirst.

STANDARD: Öffnet es Türen oder ist es eine Belastung?

Leitl: Ich würde sagen, es hält sich in Summe die Waage.

STANDARD: Stichwort Generationenwechsel. Unter jenen, die den Osten erobert haben, waren wilde Kerle wie Alexander Maculan, Herbert Stepic, Ludwig Scharinger, auch Weggefährten Ihres Vaters. Hat die Generation anders getickt?

Leitl: Es war eine andere Zeit. Mit der Öffnung war jeder Unternehmer ein Pionier, der sich auch in ein Risiko hineingestürzt hat. Diese Goldgräberstimmung gibt es heute nicht mehr.

STANDARD: War da ein bestimmter Machertyp unterwegs? So manche sind auch mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Im Rückblick erscheint es, als wäre man nach dem Pippi-Langstrumpf-Motto "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt" vorgegangen?

Leitl: Ich glaube nicht, dass man das verallgemeinern kann. In der Pionierzeit ist es sehr viel um Netzwerke und persönliche Kontakte gegangen. Heute sitzen einem Manager gegenüber und nicht mehr private Investoren. Damit hat sich auch die Kultur, Geschäfte zu machen, verändert. Heute sagt auch nicht mehr der Chef von oben, so ist es. Entscheidungen werden breiter diskutiert. Ich maße mir nicht an, dass ich als ein wilder Kerl alle Weisheiten fürs Unternehmen gepachtet habe.

STANDARD: Bleiben wir bei der Kultur. Sie sind ausgebildeter Pianist. Eine Musikerkarriere kam nicht infrage?

Leitl: Klavierspielen ist für mich ein wichtiger Ausgleich zur unternehmerischen Tätigkeit. Es war immer eine Leidenschaft, aber nie ein Thema, das zum Beruf zu machen. Da fehlt mir die Begabung.

Das Klavierspielen bleibt beim ausgebildeten Pianisten ein Ausgleich zum Berufsleben.
Foto: Alexander Schwarzl

STANDARD: Ihr Vater wurde mit 27 Geschäftsführer, mit 40 stieg er in die Politik ein und gab die Führung an seinen Bruder Martin ab. Sie haben dessen Position übernommen. Wann gehen Sie in die Politik?

Leitl: Ich bin 2017 ins Unternehmen gekommen. Jetzt bin ich damit einmal beschäftigt. Ich mache das auch gern.

STANDARD: Baustoffe und Ziegel klingen nicht gerade sexy. Sie haben Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing studiert. Wie legt man das an?

Leitl: Baustoffe, Ziegel, das klingt so nüchtern, so trocken und so technisch. Aber genau darin liegt die Herausforderung, weil es am Ende um so viel Emotion, ums Bauen, ums Haus und ums Wohnen geht. Das betrifft uns ja alle.

STANDARD: Ich habe den Claim gefunden "Willkommen in der kulinarischen Welt von Leitl". Ist da der Marketingexperte mit Ihnen durchgegangen?

Leitl: Wir stellen Vitalbauen und Nachhaltigkeit sehr stark in den Vordergrund. Der Ziegel ist ein natürliches und regionales Produkt aus unserem Eferdinger Vitalerdevorkommen hinter dem Werk. Der Lehm hat Eigenschaften, die sich auf das vegetative Nervensystem positiv auswirken, wir haben das auch prüfen lassen. Da haben wir dann gesagt, okay, wir legen ein Kochbuch auf.

STANDARD: Ist leistbares Wohnen nicht viel wichtiger?

Leitl: Die Frage, wie wir in Zukunft bauen werden, beschäftigt uns natürlich auch sehr stark. Wir haben Urbanisierung, wir haben verdichteten Wohnbau. Aber was heißt Verdichtung? Bauen wir dann höher, was heißt das für die Baustoffanforderungen, für die statischen Anforderungen? Da gibt es noch viel Klärungsbedarf.

STANDARD: Machen zu viele Auflagen und Normen das Bauen teuer?

Leitl: Es gibt sicher sehr hohe Anforderungen. Aber dafür gibt es politisch schon Ideen: herausnehmen von Auflagen, um Kosten wieder zu reduzieren. Entbürokratisieren, Entrümpeln ist ja überhaupt ein Thema, das von der Politik aufgegriffen ist, jetzt aber einfach umgesetzt gehört.

STANDARD: Beim Entrümpeln rumpelt es derzeit oft ganz schön. Ihr Vater war als Kammerpräsident naturgemäß ein Verfechter der Sozialpartnerschaft. Die derzeitige Regierung schaltete diese bei Projekten, wie etwa beim Zwölfstundentag, aus. Ist das nötig?

Leitl: Ich bin trotzdem – vielleicht auch familiär bedingt – ein Verfechter von partnerschaftlichen und damit auch sozialpartnerschaftlichen Lösungen. Ich würde begrüßen, wenn es das weitergibt.

STANDARD: Kanzleramtsminister Gernot Blümel hat jüngst gesagt, beim Karfreitag hätten die Sozialpartner keine Lösung gehabt.

Leitl: Aber gerade da ist ja eine Revision entstanden, aus der ein Kompromiss hervorgegangen ist.

STANDARD: Mit dem weiterhin sehr viele unzufrieden sind.

Leitl: Ich denke trotzdem, dass das mit der Berücksichtigung der Standpunkte aller Parteien eine gute Lösung geworden ist.

STANDARD: Der Rechtsanspruch auf einen Papamonat dürfte kommen. Sie haben einen hohen Männeranteil im Unternehmen. Verlangen Ihre Mitarbeiter danach?

Leitl: Das war bei uns, solange ich hier bin, noch kein Thema. Wenn ich noch keine Signale höre, beschäftige ich mich noch nicht so stark damit. Aber ich denke schon, dass bei den jungen Mitarbeitern ein Umdenken stattfinden wird. Auch in den Fragen der Auszeiten oder flexiblerer Gestaltung der Arbeitszeiten. Da müssen wir auch als Arbeitgeber flexibler sein.

STANDARD: Das klingt, als wären Sie froh, dass Sie sich nicht damit beschäftigen müssen.

Leitl: Überhaupt nicht. Wir müssen uns damit beschäftigen. Deswegen passt mir diese politische und öffentliche Diskussion gut. Ich bin dann schon froh, wenn es einen gesetzlichen Rahmen gibt, in dem ich mich bewegen kann.

STANDARD: So manche Unternehmer klagen, dass die jungen Leute verweichlicht sind und nicht mehr anpacken wollen.

Leitl: Ich kann das nicht bestätigen. Wir haben hier Glück, auch mit den jungen Mitarbeitern, die sehr engagiert sind, sich voll reinknien. Da braucht es auch bei uns ein Umdenken. Wir sind sehr stolz, dass wir viele Mitarbeiter haben, die ihr Leben lang in unserem Unternehmen waren. Aber wir werden nicht davon ausgehen können, dass das so bleibt. Junge Leute sind flexibler und mobiler.

Der Unternehmer ist zufrieden mit seinen Mitarbeiter – mehr Mobilität von jungen Arbeitnehmern verlange aber auch Umdenken bei den Unternehmern, meint Leitl.
Foto: Alexander Schwarzl

STANDARD: Ganze Branchen sagen, sie können Aufträge nicht annehmen, weil ihnen Fachkräfte fehlen. Deswegen wird auch die Rot-Weiß-Rot-Karte wieder reformiert. Brauchen wir mehr Zuzug?

Leitl: Gezielten Fachkräftezuzug brauchen wir. Gerade im Bau ist das nötig. Längerfristig müssen wir das zusätzlich an die Berufsgruppenattraktivierung koppeln.

STANDARD: Gibt es zu viele Studierende und zu wenige Lehrlinge?

Leitl: Das ist sicher ein Thema, das aber schon aufgegriffen wurde. Das nennt sich duale Akademie in Oberösterreich. Wir müssen weg von dem Gedanken Entweder-oder und Ausbildungslinien flexibler gestalten, um Quersprünge zu ermöglichen. Vor ein paar Jahren wollten wir alle ein Studium machen. Aber Handwerk kommt wieder stärker ins Bewusstsein.

STANDARD: Beim Thema Asylwerber in Lehre gibt es in Oberösterreich eine starke Front dagegen, die Auszubildenden abzuschieben. Wie sehen Sie das?

Leitl: Wir haben im Unternehmen einen Asylwerber, einen politischen Flüchtling aus Afghanistan, allerdings keinen Lehrling. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn ich die Möglichkeit habe, jemand aufzunehmen, auch mit einer Begleitung, wie bei uns, finde ich das sehr positiv.

STANDARD: Und was soll mit den Lehrlingen geschehen, deren Status ungewiss ist und die – wie der Grüne Rudi Anschober warnt – von der Abschiebung bedroht sind?

Leitl: Da kann ich keine Ratschläge ausrichten.

STANDARD: Von Grün zu Schwarz und Türkis. Gehört Ihre Sympathie mehr Schwarz oder Türkis?

Leitl: Bei der neuen Regierung gefällt mir jetzt dieser gespürte Drive. Ich beziehe das auf das junge, dynamische Denken, das da hineinkommt, wo ich diesen Veränderungswillen, aber auch die Umsetzungskraft spüre.

STANDARD: Schwarz hat einen neuen Anstrich vertragen?

Leitl: Ich glaube die Führungsspitze, das hat gutgetan.

(Regina Bruckner, 9.3.2019)