Wien/Dortmund – Ob ein Sternchen im Wort für ausgleichende Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen in der Sprache sorgen kann, ist auch unter Germanisten durchaus umstritten. Beispiel: "Schaffner*innen". Ein von Vertretern aus Kultur, Politik und Wirtschaft in Deutschland unterzeichneter Aufruf zur Abschaffung der Geschlechtergerechtigkeit in der deutschen Sprache stößt nun auf scharfe Kritik in der Fachwelt.

Der unter Wissenschaftern umstrittene Verein Deutsche Sprache (Dortmund) hatte zusammen mit prominenten männlichen und weiblichen Mitstreitern eine Unterschriftenaktion "Schluss mit dem Gender-Unfug" – im STANDARD erschien sie als Kommentar der anderen – gestartet. In dem von Sprachkritiker Wolf Schneider entworfenen Text werden unter anderem "lächerliche Sprachgebilde" wie "die Radfahrenden", "die Studierenden" oder sogar "Luftpiratinnen" und "Idiotinnen" kritisiert und "als weitere Verrenkung noch der seltsame Gender-Stern" aufs Korn genommen. Bis Freitagmorgen hatten nach Angaben des Sprachvereins rund 9.600 Personen den Aufruf online unterzeichnet.

"Übers Ziel hinaus"

"Ich finde, dass sie in ihrer Kritik über das Ziel hinausschießen", sagte die Freiburger Linguistikprofessorin Helga Kotthoff. Es sei nun einmal nachgewiesen, dass ein Text, der sich von oben bis unten um "den Lehrer" drehe, das Maskuline verstärke. "Es kann uns doch niemand erzählen, dass dann vor dem inneren Auge eine Lehrerin auftaucht", sagt Kotthoff. "Der Aufruf fördert nur hyperradikales Pro und Contra. Es fehlt jegliche Differenzierung."

Punktuelle Kritik an bestimmten Methoden, die Sprache geschlechtergerecht zu machen, sei aber richtig, sagte Kotthoff. Denn Texte müssten immer noch lesbar sein. "Das große Binnen-I ist nicht jedermanns und -fraus Sache." Man könne da durchaus mal einen Schrägstrich setzen oder von "Lehrpersonen" schreiben. Der Text dürfe aber dabei nicht sperrig werden. Die absolut gerechte Sprache könne auch nicht am Reißbrett entworfen werden.

"Totale Überfrachtung"

Dabei räumt auch Kotthoff ein, dass sie den Unterstrich ("Lehrer_innen") für eine "totale Überfrachtung von Referenzen" halte. Der Aufruf des Vereins aber wende sich gegen dass Reformbestreben in der Sprache insgesamt – und zeuge von "Verbohrtheit".

Wolf Schneider findet die Methoden der sprachlichen Geschlechtergerechtigkeit "entsetzlich albern". "Das ist eine Verhohnepipelung der deutschen Sprache", sagt er. Mit dem Aufruf hätten die Unterzeichner "eine riesige Mehrheit auf unserer Seite", sagt er. "Diese Mehrheit war bisher nicht aktiv."

Unterzeichner des Aufrufs sind unter anderen der Journalist Kai Diekmann und die Autorinnen Angelika Klüssendorf und Cora Stephan, aber auch Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, die Kabarettisten Dieter Nuhr und Dieter Hallervorden, Bestsellerautor Rüdiger Safranski und Ex-Diplomaten und Ex-Bundesbankdirektoren, Anwälte und Unternehmer. (APA, 8.3.2019)