Ex-Bawag-Chef Johann Zwettler soll erneut vor Gericht. Diesmal geht es um Geschäfte mit Refco, die vor 15 Jahren getätigt wurden.


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Wien – Die – eher dunkle – Vergangenheit der Bawag, die, in der die Bank noch dem Gewerkschaftsbund ÖGB gehörte, kann auch in Seiten gemessen werden. 150 Seiten umfasst jedenfalls die Anklage gegen drei Ex-Bawag-Vorstandsmitglieder und einen Ex-Manager rund um Geschäfte, die die Bank mit dem New Yorker Brokerhaus Refco bzw. dessen Ex-Eigentümer Phillip Bennett gemacht hat.

Die Gewerkschaftsbank pflog ab 1998 enge Kontakte zu Refco, war vorübergehend selbst beteiligt und gab der Gesellschaft immer wieder sogenannte Ultimokredite. Im Gegenzug sei Refco der Bawag "beim Ausgleich der Verluste" aus den Flöttl-Geschäften behilflich gewesen, heißt es in der Anklage. Refco sei ein "Generaldirektorskunde" gewesen: Der Chef kümmerte sich persönlich, einfache Banker sollen nur am Rande informiert und involviert gewesen sein.

Anfang vom Ende

Die Kreditdeals, um die es in der dem STANDARD vorliegenden, nicht rechtskräftigen Anklage geht, wurden vor 15 bzw. 14 Jahren getätigt. Und mit ihr schließt sich quasi ein Kreis. Der sogenannte Blitzkredit, den die Bawag unter ihrem Vorstandschef Johann Zwettler der Refco und einem Bennett-Trust im Oktober 2005 gewährte (Refco ging unmittelbar darauf pleite), hat damals die Riesenverluste an die Oberfläche gespült, die die Bank mit ihrem Kreditnehmer Wolfgang Flöttl eingefahren hatte. In der Folge musste die Bank gerettet und verkauft werden. Die Bawag-Manager unter Helmut Elsner landeten vor dem Strafgericht; die meisten wurden in zweiter Instanz freigesprochen.

Eine kleine Ewigkeit später geht es nun also weiter. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft den Ex-Vorstandsmitgliedern Zwettler, Christian Büttner und einem weiteren Vorstandsmitglied (war für eine Stellungnahme nicht erreichbar) sowie Bawag-Manager S. (Beihilfe zur) Untreue rund um den Blitzkredit an Refco und einen Bennett-Trust im Oktober 2005 vor. Es geht um 350 Mio. Dollar.

Vertuschungsvorwurf

Zudem erhebt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf, die Vier hätten Beihilfe zum schweren Betrug begangen. Sie hätten Bennett und anderen 2004 sinngemäß dabei geholfen, den Käufer der Refco-Anteile, die US-Firma Thomas H. Lee, über den Tisch zu ziehen.

Vereinfacht nacherzählt, habe die Wiener Bank der Refco Group Holdings einen Kredit von 390 Mio. Dollar zugezählt, um die Vermögenslage des Brokers zu schönen und gruppeninterne Verbindlichkeiten zu vertuschen. Thomas H. Lee habe eine schuldenfreie Gesellschaft kaufen wollen, und dafür sei der Kredit nötig gewesen. Den Käufern sei so vorgetäuscht worden, dass Refco über einen Cashüberschuss von 500 Millionen Dollar verfüge. Um die Finanzierung zu besprechen, hätten Zwettler und Bennett in London und Wien verhandelt, auch S. sei mitunter dabei gewesen.

Bawag soll profitiert haben

Warum die Bawag da mitgetan hat? Sie habe aufgrund ihres Beteiligungsvertrags mit Refco "von dieser Cashposition profitiert". Und, so der Staatsanwalt: "Ohne die unterstützenden Handlungen der Bawag ... wäre eine Täuschung des Käufers nicht möglich ... gewesen und der Kaufvertrag wäre nicht zustande gekommen." Zwettler wird in dem Konnex zudem ein Ultimo-Kredit an Refco in der Höhe von 250 Mio. Dollar vorgeworfen. An dieser Stelle sei betont, dass für alle Genannten die Unschuldsvermutung gilt.

Besonders pikant sind die Umstände, unter denen die 350 Mio. Dollar aus dem Blitzkredit binnen vier Tagen von Wien nach New York gelangten. Im August 2005 war Refco an die Börse gegangen, danach kamen teilweise neue Manager ins Unternehmen. Denen fielen Ungereimtheiten in den Bilanzen auf, wie es in der Anklageschrift heißt, der Verdacht fiel auf Bennett. Der habe einen seiner Gesellschaft zuzuordnenden Kredit aus der Welt bzw. Bilanz schaffen müssen, sich an die Banker in Wien gewandt und um Kredit gebeten.

Kredit muss aus den Büchern verschwinden

In Wien erzeugte das Hektik. Manager S. beschrieb das Problem in einer Mail an ein Vorstandsmitglied so: Laut H. müsse ein gesellschaftsinterner Kredit bei Refco von insgesamt 430 Millionen Dollar "unverzüglich aus den Büchern verschwinden". Und zwar "angeblich aufgrund von Hinweisen des Wirtschaftsprüfers und der US-Börsenaufsicht SEC (!)".

Laut Anklage bot Bennett die Verpfändung von Aktien an, die ihm aber wegen der Haltefrist ("lock up") nach dem Börsengang noch gar nicht erlaubt war. Letztlich schien das Problem bewältigt, wie S. am 9. Oktober 2005 an einen Vorstandsdirektor schrieb. Er habe vom US-Anwalt erfahren, "dass wir mit einer Vereinbarung über die Verpfändung der Aktien in vollem Wissen, dass er (Bennett; Anm.) die Lock-up-Agreements verletzt, keine Probleme haben. Das Problem wäre ausschließlich sein Problem."

Husch, husch und weg

Ohne alle Unterlagen aus den USA abzuwarten, wurden laut Anklage die Verträge in Wien unterschrieben, die Überweisung von 350 Mio. Dollar angeordnet. Nur Stunden nach der Kreditzuzählung veröffentlichte Refco selbst am 9. Oktober, man solle den Jahresabschlüssen von Refco nicht mehr vertrauen. In der Bawag erfuhr ein Mitarbeiter um 14.30 Uhr von den Problemen bei Refco und, dass dass Bennett der Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten verweigert würde. Der Banker informierte S., dieser den Bawag-Chef. S. gab laut Anklage rund zwei Stunden später die Order, die Überweisung zu stornieren. Zu spät. Am 17. Oktober ging Refco pleite, der Kredit wurde nie zurückgezahlt.

Der Staatsanwalt wirft den Angeklagten vor, nicht die nötigen Prüfungen vorgenommen zu haben, nicht den gesamten Vorstand und den Aufsichtsrat überhaupt nicht mit dem Kredit befasst zu haben.

Angeklagte sehen sich als Opfer

Die Angeklagten selbst sehen sich als Opfer Bennetts, "er hat die Bawag reingelegt", meint etwa Büttners Verteidiger, Erich Müller. Der Verbleib der 350 Millionen sei ungeklärt, er ortet "mafiose Geschäfte". Zwettlers Anwalt, Mario Schmieder, nimmt inhaltlich nicht Stellung. Er sagt nur, dass sein Mandant verhandlungsunfähig sei. (Renate Graber, 9.3.2019)