Andreas Herzog hat seinen Wohnsitz nach Tel Aviv verlegt. Er musste lange auf eine Herausforderung warten, nun hat er sie.

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Andreas Herzog ist absolut "tiefenentspannt". Hätte dem 50-Jährigen jemand vor neun oder zehn Monaten gesagt, er werde am 1. August 2018 zum Teamchef der israelischen Fußballnationalmannschaft bestellt, "hätte ich ihn für verrückt erklärt". Als ob die Erde eine Scheibe und der Elefant eine Pflanze wäre. Andererseits hatte ihn die Tatsache, dass Willi Ruttensteiner bereits Ende Juni den Posten des Sportdirektors im israelischen Verband übernommen hatte, zwar nicht irritiert, aber doch überrascht. Der Oberösterreicher soll den darbenden Kick reorganisieren, auf neue Beine stellen, für Nachhaltigkeit sorgen. Da man einander aus vergangenen Zeiten beim ÖFB kennen- und schätzengelernt hat, schlug Ruttensteiner den Ur-Wiener Herzog als Teamchef vor. Diese Idee wurde einstimmig angenommen.

Just Ruttensteiner hat das "Herzerl" engagiert. Als langjähriger Sportchef des ÖFB hatte er ihn nie für geeignet gehalten. Kein anderer Mensch ist so oft nicht österreichischer Teamchef geworden wie Andreas Herzog. Er stand oft in der engeren Auswahl, unterlag Karol Brückner, Dietmar Constantini, Marcel Koller und zuletzt Franco Foda. Alternativ hatte er mit dem Job bei Rapid spekuliert, geworden sind es andere, obwohl die Fluktuation in Hütteldorf eine große ist. Herzog sagt: "Es tat gar nicht so weh, im Leben werden eben nicht alle Träume erfüllt. Es geht darum, zu warten. Herausforderungen sind eine Frage der Geduld. Du musst darauf vorbereitet sein, und ich bin immer am Ball geblieben. Irgendwann kommt der Tag."

Das Fachwissen

Verzweifelt sei er nie gewesen. "Wie gesagt, ich bin tiefenentspannt. Andere Leute haben sich meinen Kopf zerbrochen." Mit Ruttensteiner habe er nie ein Problem gehabt. "Ich schätze sein Fachwissen, das gilt auch umgekehrt. Es gab überhaupt keinen Grund für eine Vergangenheitsbewältigung oder Aussprache." Tormanntrainer ist Klaus Lindenberger, Chefscout Heinz Hochhauser.

Die Präsentation in Tel Aviv war eine recht haarige Angelegenheit, die israelische Journaille nahm den Neuen zwar freundlich, aber doch recht skeptisch auf. Blöderweise hatte Herzog im Oktober 2001 in letzter Sekunde per Freistoß ein 1:1 gegen Israel erzielt, womit sich die Hoffnungen der Gastgeber auf das WM-Playoff erledigt hatten. Rund 17 Jahre später hat sich Herzog quasi entschuldigt, es sei wohl Absicht, aber sein Job gewesen. Ungeschehen könne er das nicht machen. Nun werde er alles für Israel geben. Diese Einsicht wurde akzeptiert.

Holpriger Start

Herzog hat seinen Hauptwohnsitz verlegt, er residiert in einem Appartement in Tel Aviv. Der Start gestaltete sich holprig, mit drei Siegen und drei Niederlagen ist die Bilanz nun ausgeglichen. Das 2:0 gegen Albanien und das 2:1 gegen Schottland in der Nations League sorgten für eine Trendwende. "Die Fans glauben wieder an ihr Team. Und die Spieler glauben an sich, das Selbstvertrauen ist zurück, es wächst." Herzog hat beschlossen, sich aus der Politik völlig rauszuhalten. "Erstens kenne ich mich nicht so gut aus, zweitens wartet die Welt nicht darauf. Ich wurde geholt, um hier im Fußball etwas zu bewegen."

Herzog bewegt. Er berief viele arabischstämmige Kicker ein, pfiff sich nichts um Glaubensfragen oder alte Animositäten. "Ich hole die Besten. Oder die, die am besten zusammenpassen. Mit elf Individualisten gewinnst du nicht." Der israelische Fußball sei technisch hochwertig, das Niveau der Liga mit jenem in Österreich vergleichbar. "Möglicherweise ist das Tempo hier niedriger. Das ist auch der Hitze geschuldet." An einem Wochenende besucht er bis zu vier Partien, die Wege sind kurz. "In Israel gibt es kein Altach."

Herzog ist zum ersten Mal in einer Chefposition. 2005 bis 2009 war er Co-Trainer der österreichischen Nationalmannschaft, 2009 bis 2011 leitete er die U21-Auswahl (kleiner Chef), von 2011 bis 2016 war er Assistent von Jürgen Klinsmann in den USA. "Eine lehrreiche Zeit." Nun müsse er "den Kopf hinhalten. Verantwortung habe ich aber immer schon übernommen."

Rollenverteilung

Als die Auslosung der EM-Qualifikation am 2. Dezember in Dublin Österreich als einen der Gegner bescherte, "habe ich mich sehr gefreut. Auch Foda hat es getaugt. Österreich ist Favorit, wir sind ein gefährlicher Außenseiter. Beim Scouting haben wir Vorteile, überraschen können uns Arnautovic und Co nicht." Die Weltrangliste belegt die Rollenverteilung: Platz 23 gegen Platz 92.

Herzog lässt ein variables 5-3-2-System spielen. "Man braucht nicht sechs verschiedene Systeme, das verunsichert nur. Man sollte ein bis zwei beherrschen." Der 24. März wird ein spezieller Tag im Leben des Andreas Herzog. Kurz vor 19 Uhr Ortszeit werden in Haifa, im Sammy Omer Stadion, die Hymnen gespielt. Es werden knapp 30.000 Zuschauer erwartet. Im Vorfeld wird über die Partie ausführlich berichtet werden. "Die Medienlandschaft in Israel ist ähnlich jener in Österreich. Es wird nicht jeder Schritt von Kameras begleitet. Aber sie werden meine Geschichte rauf- und runterspielen. In beiden Ländern, da bin ich tiefenentspannt."

Zunächst Slowenien

Der Rekordinternationale (103 Länderspiele) steht also auf der anderen Seite. Im blauen Anzug. "Ich nehme das professionell an, lasse Emotion abprallen. Österreich ist meine Heimat, Israel meine Arbeit. Klinsmann hat mit den USA auch gegen Deutschland gespielt. Was soll's?" Der Vertrag läuft bis Ende 2019, im Fall der EM-Teilnahme würde er sich bis 2022 verlängern. Bereits am 21. März empfängt Israel ebenfalls in Haifa Slowenien. Österreich trifft an diesem Tag in Wien auf Polen. "Ich beschäftige mich ausschließlich mit Slowenien. Und Foda ist zunächst an Polen interessiert."

Herzog wird in den Straßen von Tel Aviv freundlich gegrüßt. "Letztendlich wird man überall auf der Welt am Erfolg gemessen. Träume sind nicht ortsgebunden." (Christian Hackl, 10.3.2019)