Vier Wochen nach der Tötung des Leiters des Sozialamts in Dornbirn scheint ein wenig Ruhe in die Debatte zur Einführung der "Sicherungshaft" für Asylwerber zu kommen. Langsam kommen die Beteiligten zur Sache – von den populistischen Sprüchen zu den juristischen Feinheiten. Also zu mehr Vernunft.

Das ist gut und richtig so nach all dem, was passiert ist, seit der mutmaßliche Mörder illegal nach Österreich kam und seinen Asylantrag stellte: ein vorbestrafter, türkischer Staatsbürger, in Vorarlberg geboren, mit Aufenthaltsverbot belegt. Er gab an, türkische Soldaten getötet zu haben.

Viele fragen sich zu Recht, wo denn in dem Fall die von Innenminister Herbert Kickl beklagte "Gesetzeslücke" sein soll, die eine Schubhaft verhinderte. Bisher fehlt jede Aufklärung. Justizminister Josef Moser musste zugeben, dass selbst er die Details des Falls nicht kennt. Wie sollen die Bürger also verstehen, warum die Regierung großen Druck auf eine rasche Verfassungsänderung macht, die Freiheitsrechte einschränken würde? Das Fremdenpolizeigesetz sieht Schubhaft schon jetzt vor, ebenso ein Asylschnellverfahren. Warum nicht da eingreifen?

An der EU, die die FPÖ sonst gern verantwortlich macht, kann es nicht liegen. Die EU-Aufnahmerichtlinie sieht Haft im Asylverfahren bei Gefahr für nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung explizit vor. Ein EuGH-Urteil von 2016 bestätigte in einem ähnlichen Fall in den Niederlanden, dass eine solche Inhaftnahme mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Einklang stand.

Kein Anlass für Hysterie

Anders als man bei der hitzigen Debatte hierzulande vermuten könnte, ist das Ziel der EU-Vorgaben eben nicht, dass Abschiebungen verhindert und möglichst viele Migranten aufgenommen werden. Es ist absurd, wenn Kickl das Erstaufnahmelager Traiskirchen in ein "Ausreisezentrum" umbenennt. Ein besonnener Innenminister hätte auch nicht von "Sicherungshaft" und "Köpfe abschneiden" gesprochen. Mit solch maßloser Art verhindert er seriöse Lösungen eher, als dass er sie ermöglicht. Manche fühlen sich bei ihm an dunkle Zeiten des Faschismus erinnert – an "Schutzhaft". Aber für solche Hysterie ist kein Anlass – nicht nur wegen der Verfassung und der Opposition, sondern auch wegen der Grundregeln der Union.

Auch die EU will mehr Ordnung bei der Migration, weniger Kriminalität. Nur die, die wirklich Schutz brauchen, sollen Asyl erhalten, dann aber auch umgehend arbeiten dürfen, integriert werden. Wer kein Aufenthaltsrecht bekommt, soll Unionsgebiet hingegen rasch wieder verlassen, notfalls abgeschoben werden, aber das Asylrecht nicht missbrauchen können. So steht das in der EU-Richtlinie als Grundprinzip seit 2013. Länder wie Belgien oder die Niederlande wenden es strikt an. Wie das in Österreich umgesetzt werden kann, wo die Verfassung beim Freiheitsentzug strenger ist als die EMRK, darüber könnte man ruhig, offen, vertrauenswürdig reden.

Das tat die Regierung aber nicht. Sie überzeugte nicht, sie fuhr drüber. Es gibt keine Texte, wie Eingriffe in Freiheitsrechte aussehen könnten. Daher bekommt sie zu Recht auch nicht die Zustimmung der Opposition, die sie brauchen würde. Die Folge: Zuletzt schlugen Moser und ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler feinere juristische Töne an als Kickl. Sie sprachen von präzise definierten Änderungen, betonten Richterkontrolle – sehr ähnlich wie in den Beneluxländern. Diese sind nicht als Unrechtsstaaten bekannt. (Thomas Mayer, 9.3.2019)