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Geigerzähler sind in Fukushima eher keine Seltenheit.

Reuters / Issei Kato

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Ein Tepco-Mitarbeiter ohne Schutzkleidung auf dem AKW-Gelände.

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Auf dem zerfetzten Dach von Reaktor 1 greift eine gewaltige Zange, die an einem Kranhubseil hängt, nach Betonteilen. An der Westseite von Reaktor 2 wurde ein Vorbau angedockt und die Wand des Reaktorgebäudes geöffnet. Über Reaktor 3 thront eine röhrenförmige Kuppel mit einem Bergungskran. Acht Jahre nach der dreifachen Kernschmelze, die am 11. März 2011 ihren Anfang nahm, ist Fukushima Nr. 1 laut Betreiber Tepco unter Kontrolle. "Wir haben Fortschritte erzielt", sagt Sprecher Hideki Yagi bei einer Tour für ausländische Journalisten.

Die Reporter dürfen in Alltagskleidung bis auf 40 Meter Luftlinie an die Reaktoren heran. Gemäß ihren Dosimetern werden sie in zwei Stunden weniger verstrahlt als bei einem Flug nach Österreich. Die Radioaktivität sank, weil alle Bodenflächen mit Spritzbeton versiegelt wurden. Daher brauchen die aktuell 4200 Arbeiter auf 96 Prozent des AKW-Geländes keine Atemmasken und Schutzanzüge mehr zu tragen.

Strahlenhölle über den Meilern

Aber direkt über den Meilern herrscht eine solche Strahlenhölle, dass alle Arbeiten ferngesteuert ausgeführt werden müssen. Als Nächstes plant Tepco, die 1573 abgebrannten Brennelemente aus ihren Lagerbecken über den zerstörten Meilern zu holen. Die Bergung beginnt in diesem Monat am Reaktor 3.

Außerhalb der Atomanlage versucht die Regierung, ebenfalls den Anschein von Normalität zu erwecken. Zwar lässt sich die Radioaktivität dort nicht zubetonieren – die verstrahlten Orte Futaba und Okuma am AKW bleiben gesperrt -, aber seit 2014 wurden neun Gemeinden in der alten Evakuierungszone nacheinander für bewohnbar erklärt.

Die Todeszone rund um Fukushima – eine Doku aus dem Jahr 2017.
DokuHD

In Nahara in 20 Kilometern Entfernung vom AKW ist mehr als die Hälfte der Bewohner zurückgekehrt. Doch insgesamt leben nur 23 Prozent der 160.000 Evakuierten wieder an ihren alten Wohnorten. Die Mehrheit davon sind ältere Menschen, während sich kaum Familien mit Kindern zurückgewagt haben.

Weiterhin hohe Strahlung

Dass ihre Gesundheitssorgen berechtigt sind, beweisen Messungen von Greenpeace im Herbst 2018 in Fukushima. An fast zehn Prozent von 17.000 Stellen maßen die Umweltschützer eine Strahlung vom bis zu 100-Fachen des offiziellen Dekontaminationsziels von 0,23 Mikrosievert pro Stunde. An fast allen Stellen lag die Radioaktivität über dem international empfohlenen Grenzwert für Kinder von jährlich ein Millisievert.

"Die Regierung ignoriert mit ihrer unverantwortlichen Siedlungspolitik das Ausmaß und die Risiken der Strahlenbelastung", erklärte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. Außerdem würden viele Dekontaminierungsarbeiter bei ungenügender Vorbereitung und schlechter Bezahlung hoher Strahlung ausgesetzt.

Olympische Turnierspiele in Fukushima

Die Kritik dürfte bei der Regierung auf taube Ohren stoßen. Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio unter dem Slogan "Reconstruction Olympics" will sie beweisen, dass die Region ihren Schrecken verloren hat. Daher soll die Laufstrecke für die Träger der olympischen Fackel ab März 2020 ausgerechnet an der Sportanlage J-Village beginnen, die sechs Jahre als Tepco-Krisenzentrale diente. Außerdem hat das japanische Olympiakomitee sechs Softballspiele und ein Basketballmatch in Fukushima angesetzt, damit das negative Erbe des Atomunfalls vergessen wird.

Diese Absicht stößt vielen weiter evakuierten AKW-Anwohnern sauer auf. Die staatlich heruntergespielte Strahlengefahr erschwere ihnen die Aufklärung über ihr Schicksal und ihre Heimat. Niemand kümmert sich mehr um die Folgen des Atomunfalls, sodass wir unsere Sorgen wegen der Radioaktivität unterdrücken müssen", klagte Noriko Tanaka von der Organisation Mothers' Radiation Lab. (Martin Fritz aus Fukushima, 11.3.2019)