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Präsident Hassan Rohani (li.) wurde am Montag von seinem irakischen Amtskollegen Barham Salih mit rotem Teppich empfangen.

Foto: Reuters / khalid al mousily

Besonders die iranischen Medien sind anlässlich des dreitägigen Irak-Besuchs von Präsident Hassan Rohani schnell mit dem Begriff "historisch" bei der Hand: Insofern stimmt das nicht, als Rohanis Vorgänger, Mahmud Ahmadi-Nejad, gleich zweimal (2008 und 2013) bei den irakischen Nachbarn zu Gast war. Er war es also, der den "historischen" ersten Besuch nach dem Iran-Irak-Krieg 1980–1988 und überhaupt eines Präsidenten der Islamischen Republik absolvierte.

Dessen ungeachtet findet Rohanis Visite unter sehr speziellen Umständen statt. Die irakische Regierung ist in dem Dilemma zwischen den engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Iran einerseits und andererseits den USA, die nicht nur Sanktionen gegen Teheran verhängt haben, sondern auch jene Staaten bestrafen, die weiterhin Geschäfte mit dem Iran machen. Stillschweigend wurden dem Irak bisher von US-Seite "waiver" – die Aussetzung von den Sanktionsbestimmungen – erteilt, aber der US-Druck wächst.

Pilger bringen Geld

Der Irak käme jedoch ohne iranische Gaslieferungen für die Elektrizitätserzeugung in ärgste Schwierigkeiten: Vergangenen Sommer war der Strommangel im Südirak einer der Gründe für Massenproteste. Aber Gas und Strom machen nur einen Teil des Handelsvolumens aus, das sich auf zwölf Milliarden Dollar jährlich beläuft und das der Iran auf 20 Milliarden erhöhen möchte. Der Irak kauft Lebensmittel, Baumaterial und Medikamente – und verdient selbst an den Millionen Pilgern aus dem Iran, die die Schreine der schiitischen Imame im Irak besuchen.

Mit dem Kurden Barham Salih hat der Irak einen Präsidenten mit ganz ausgezeichneten Beziehungen zu den USA, der sich im Vorfeld des Besuchs dennoch klar gegen die US-Sanktionen gegen den Iran aussprach. Salih war bereits im November 2018, in dem Monat nach seinem Amtsantritt, auf Besuch in Teheran.

Kampf gegen den IS

Politiker wie er üben sich in einem schwierigen Balanceakt: Immerhin wurde eine Allianz von meist Iran-freundlichen Milizen – ein paar davon auf der US-Terrorliste – bei den Wahlen im Mai 2018 zweitstärkste Kraft. Rohani hat vor seiner Abreise an die iranische Hilfe gegen den "Islamischen Staat" erinnert, bei dem die Milizen tatsächlich eine entscheidende Rolle spielten. Laut iranischem Narrativ hätte der IS 2014 nach Mossul auch noch Bagdad und den ganzen Norden erobert, hätte der Iran nicht sofort unterstützend eingegriffen.

Diese Rolle beanspruchen aber auch die USA, die noch immer 5200 Soldaten und große Mengen an Kriegsgerät im Irak haben, Tendenz parallel zur Reduktion in Syrien steigend. Als Ahmadi-Nejad 2008 den Irak besuchte, waren noch 150.000 US-Soldaten im Irak. Heute wird hingegen die Zahl der irakischen Milizionäre, von denen viele am Tropf Teherans hängen, auf 150.000 geschätzt.

Nicht geändert hat sich seit 2008, dass der iranische Präsident mit großem Bahnhof empfangen wird – und der amerikanische sich quasi bei Nacht und Nebel ins Land schleicht. 2008 war es George W. Bush, der in jenem Jahr das "Status of Forces Agreement" mit dem Irak abschloss, das den Verbleib – beziehungsweise den Abzug 2011 – der US-Truppen regelte. Zu Weihnachten 2018 besuchte Donald Trump, ohne sich vorher bei den irakischen Behörden anzumelden, die Al-Asad-Militärbasis im Westirak.

Er traf keine irakischen Politiker – und verplapperte sich auch noch, als er sagte, die US-Truppen sollten im Irak bleiben, "um den Iran zu beobachten". Offiziell sind sie natürlich auf Einladung der irakischen Regierung dort, um den IS zu bekämpfen. Im Parlament mehren sich seitdem die Stimmen, dass die USA abziehen sollen. Aber ebenso gibt es fraktionsübergreifend die Meinung, dass der iranische Einfluss im Irak zurückgedrängt werden sollte, der nach dem Sturz Saddam Husseins durch die USA 2003 immer weiter gestiegen ist. Wahlsieger im Mai 2018 war Muqtada al-Sadr, der die Iraner hinausdrängen will.

Besuch bei Sistani

Anders als Ahmadi-Nejad wird Rohani aber von Iraks wichtigsten schiitischen Geistlichen, Ali Sistani, in Najaf empfangen. Der 88-jährige Großayatollah ist zwar im Iran geboren, vertritt jedoch irakische nationale Interessen und spricht sich für eine Auflösung der Milizen aus.

Darüber hinaus ist er auch kein Anhänger des von Khomeini während dessen Exils im Irak in den 1970ern erdachten iranischen Staatssystems ("velayat-e faqih"), bei dem der Klerus das letzte Wort in Staatsangelegenheiten hat. Sistani gilt als jener schiitische Ayatollah, der weltweit am meisten Anhänger hat. Seit dem Sturz Saddams, der die religiösen Schiiten im Irak unterdrückte, versucht Najaf an frühere Zeiten als Nummer eins der schiitischen Gelehrsamkeit anzuschließen. (Gudrun Harrer, 12.3.2019)