Mark Rothko (hier vor dem Werk "No. 7" von 1960) wird am 25. September 1903 als Marcus Rotkovich im russischen Dwinsk (heute Daugavpils, Lettland) geboren. 1913 wandert dieFamilie nach Portland, Oregon aus. Nach einemStudium in Yale, das er ohne Abschluss abbricht, zieht Rothko 1925 nach New York. Rothko schreibt sich an der Art Students League ein, um Malerei zu studieren.

Die erste Einzelausstellung in New York findet 1933 statt, Rothkos endgültiger Durchbruch geschieht im Jahr 1949. Noch bis 1952 sollte er mit Zeichenunterricht Geld verdienen.

Rothko litt nicht nur an Depressionen, sondern auch an Bluthochdruck und brach 1968 wegen eines Aneurysmas zusammen. Seine Gesundheit war durch Kettenrauchen, starkem Alkoholkonsum und die Toxizität des Terpentins beeinträchtigt. Im Februar 1970 nimmt er sich das Leben.

Foto: Regina Bogat zugeschrieben © 2005 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko/Bildrecht, Wien, 2019

Untitled von 1950

Foto: © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko/Bildrecht, Wien, 2019

"Room in Karnak" von 1946

Foto: © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko/Bildrecht, Wien, 2019

Untitled (Red, Orange) von 1968

Foto: Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler/Robert Bayer, © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko/Bildrecht, Wien, 2019

Ein Raum, eine Person. Das hielt Mark Rothko für die ideale Bedingung, um Kunst zu betrachten. Erlebt hatte der US-Künstler (1903–1970) dies in den Mönchszellen des Klosters von San Marco in Florenz, die der Dominikaner Fra Angelico mit Fresken ausgestattet hat.

Rothko, der mit seinen atmosphärischen Farbräumen auf Leinwand Malereigeschichte schrieb, war fasziniert von Kirchenräumen und Kapellen, die seine Sehnsucht nach etwas Tiefsinnigerem spiegelten. Bei einem Besuch in Cornwall 1959 überlegte er sogar, eine kleine verlassene Kapelle am Ufer des Flusses Hyde zu kaufen, und sie zu einem Ort zu verwandeln, an dem er seine Bilder zeigen konnte. Aber ein Raum auf der anderen Seite des Atlantiks wäre für jeden unpraktisch, erst Recht für einen Künstler, der ungern mit dem Flugzeug reiste.

Erst posthum erfüllte sich in der Rothko Chapel in Houston sein Traum: Die Architektur als Hülle für eine Serie tiefdunkler Gemälde. Die sakrale Aura quasi als Einstimmung für Rothkos Wollen: "Ich bin nur daran interessiert, grundlegende menschliche Emotionen auszudrücken – Tragödie, Ekstase, Untergang. Die Menschen, die vor meinen Bildern weinen, haben die gleiche religiöse Erfahrung wie ich, als ich sie gemalt habe." Weil er die Wahrnehmung seiner Bilder nicht verzerren wollte, hüllte sich Rothko später in Schweigen: "Die Stille ist so genau."

Im Vergleich zur Mönchszelle ist das Wiener Kunsthistorische Museum (KHM) ein dekadenter Musentempel. Abgeschiedenheit lässt sich hier allenfalls in den Kabinetten am Rand der großen Säle finden – und das auch nur bis Sekunden später das Knarzen der Dielen sich nähernde Schritte ankündigt. Auf Offenbarungen reagieren Besucher hier womöglich mit dem Ausruf "göttlich"; was jedoch wenig gemein hat mit der spirituellen Erfahrung, die Rothko anstrebte.

Inneres Leuchten

Dass ein Museum seinem Ideal nicht gerecht werden kann, wusste freilich auch Rothko. Leicht waren Ausstellungsprojekte mit ihm trotzdem nicht. Selten war er mit der Präsentation einverstanden. Mit dem Blick auf die Wechselwirkungen zwischen seinen Bildern lehnte er Gruppenausstellungen völlig ab. 2018 setzte sich das KHM darüber hinweg und inszenierte in Shape of Time ein Tête-à-Tête mit einem Meister, der sich schon dreihundert Jahre zuvor auf das innere Leuchten und die Dramatisierung mit Licht verstanden hatte. Rothkos Granatrot, Braun und Preußischgrün waren wie ein stummes Echo von Rembrandts Farbpalette.

Diesmal verzichtet man auf altmeisterliches Hintergrundrauschen. Dank großzügiger Leihgeber (allen voran die National Gallery in Washington und Rothkos Kinder Kate und Christopher) wird geklotzt. Über vierzig Hauptwerke zeigt man in dieser ersten Einzelausstellung Rothkos in Österreich, dazu eine Auswahl aus jenen 20 Jahren, in denen er noch figurativ arbeitete. Ja, tatsächlich: figurativ! Es sind Arbeiten, in denen sich die Auseinandersetzung mit der klassischen Moderne und dem Surrealismus abzeichnet. Aber mehr als das sind es Werke von jemandem, der seine Sprache noch nicht gefunden hatte. Und obwohl Rothko lange suchte, kann man den Aufenthalt vor diesen Beispielen knapp halten, die ersten Anflüge von Streifen und Schichten in den Bildern abnicken und sich Größerem zuwenden – im wahrsten Wortsinn.

Denn 1946 explodierte das Format regelrecht. 228 mal 268 Zentimetern groß ist die pastellige Leinwand mit grellen roten Akzenten, auf der sich Gegenständliches in der Abstraktion aufgelöst hat. Das Figürliche spukt allenfalls noch in Gestalt von bunten, amorphen Fleckgespenstern.

Schon zwei Jahre später deuten sich die simplen Multiformen an: horizontal gestapelte Farbbänder. Weich und diffus wie die Ränder seiner Rechtecke vollzieht sich auch der Schritt zu Rothkos Signature-Bildern: Eines davon, Orange, Red, Yellow (1961), war 2012 mit einem Auktionsergebnis von 87 Millionen Dollar kurz das teuerste Werk der Gegenwartskunst. Die Erben, die nach dem Tod Rothkos erst einmal einen Rechtsstreit mit der Marlborough Galerie ausfechten mussten, sehen den gigantischen Marktwert seiner Bilder auch kritisch. Denn mit den Preisen steigen auch die Versicherungswerte und die Transportkosten, was die Realisierung von Ausstellungen erschwert. Auch in Wien haben Versicherungen und Transport einen Großteil des Budgets von einer Million Euro verschlungen. Dass seine Bilder für alle und nicht nur einem elitären Zirkel zugänglich sind, war Rothko stets ein Anliegen gewesen.

Mit den Dimensionen seiner Bilder sah Rothko auch die Intimität wachsen: Unmittelbar vor den niedrig gehängten Leinwänden stehend, meint man tatsächlich, in seine Bilder – ihre Stimmungen und Atmosphären – einzutauchen. Im KHM sind diese Meisterwerke in dämmrige 30 Lux getaucht. Das Licht soll einzig aus Rothkos Werken kommen. Das tut seine Wirkung – insbesondere dann, wenn man für ein paar Augenblicke die Augen vollkommen schließt und wieder öffnet.

Man muss gewillt sein, innezuhalten und sich einzulassen auf die Bilder. Das macht den besonderen Reiz der Schau aus, die weniger bombastisch ausgefallen ist, als erwartet. Es ist alles eine Frage der Resonanz. Die Bilder können nur Erfahrungen in Schwingung bringen, Emotionen wachrufen, die im Betrachter vorhanden sind. Sie können also auch mit der eigenen innere Leere konfrontieren.

Nebel aus Farbe

Horizonte. Landschaften. Portale. Fenster. Die Assoziationen zu seinen Bildern sind vielfältig. Als "geometrische Wolken" beschrieb US-Farbfeldmaler Sean Scully einmal die vernebelten horizontalen Streifen und Rechtecke. In ihnen würden die romantischen Nebel von Rothkos Jugend an der Westküste Oregons mit dem harten Raster von New Yorks Architektur verschmelzen.

Aber wie offen und weit sind die Räume, die uns Rothko baut, wirklich? Die berühmten, von Braun- und dunklen Burgundertönen dominierten Seagram-Bilder sind von Rothkos Erleben in Michelangelos Biblioteca Laurenziana in Rom beeinflusst. "Das Treppenhaus gibt dem Betrachter das Gefühl, in einem Raum gefangen zu sein, in dem alle Türen und Fenster zugemauert sind, sodass er nichts weiter tun kann, als für immer den Kopf an die Wand zu stoßen", notierte Rothko. Statt im Seagram-Building in New York fanden Bilder der Serie unter anderem in der Londoner Tate Heimat – und einen eigenen Raum, nahe der Säle William Turners – gefunden. In Wien wirkt sie überraschend unspektakulär, teilt sich den Raum mit zwei monumentalen Fotografien (Massimo Listri) der architektonischen Michelangelo-Referenz. Rothko wäre vermutlich "not amused".

No. 7 (Dark Brown, Gray, Orange) von 1963
Foto: Kunstmuseum Bern, © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher Rothko/Bildrecht, Wien, 2019

Stundenlang soll er kettenrauchend vor seinen Bildern gesessen sein, während er darüber meditierte, welche Farbe er als Nächstes über die bisherigen Schichten legen würde. Dennoch sah er in der Farbe nur ein Vehikel, um Stimmungen auszudrücken. "Das war der dunkelste Winter meines Lebens", schrieb der an Depressionen leidende Rothko 1949 an den Malerkollegen Clyfford Still. "Ironischerweise waren meine Bilder noch nie so ekstatisch. Die Leute werden sagen, was für ein fröhlicher Kerl ich sein muss."

Aber weder ging es in den rot-orangen Leinwänden ums völlige Glück, wohl eher noch um das Inferno. Noch spiegelte die dunkle Farbpalette Rothkos Gemütszustand. Von Anfang an, ging es ihm um die Conditio Humana, um Fragen der menschlichen Existenz. Er wollte das, was ihn bewegte und was er etwa in der klassischen Musik von Mozart, Haydn und Schubert fand, in Gemälde übersetzen. Lavendelblau. Beige. Grau. Lichtes Terrakotta. Das waren die Farben der letzten Bilder vor seinem Selbstmord 1970. (Anne Katrin Feßler, 11.3.2019)