In Österreich klagt der FPÖ-Chef und Vizekanzler, wenn jemand das Foto eines Treffens mit Identitären twittert (auch wenn das Bild von Heinz-Christian Straches mit Proponenten der rechten Gruppierung echt ist). In Deutschland postet der weit nach rechts übersiedelte ehemalige "Spiegel"- und "Welt"-Journalist Matthias Matussek die Bilder seiner identitären und AfD- Geburtstagsgäste fröhlich selbst. Und bringt damit die ebenfalls eingeladenen Journalisten vom langjährigen ARD-Moderator Reinhold Beckmann bis Jan Fleischhauer ("Der Spiegel") und ihre Medienhäuser in schwere Erklärungsnot.

"Selbstverständlich distanziert"

Montagabend distanzierte sich der "Spiegel" nach vielen Stunden heftigster Kritik unter dem Hashtag #mitrechtenfeiern mit einem knappen Tweet: "Die Einladung zur Geburtstagsfeier von Matthias Matussek an einzelne Kollegen war privater Natur und der Chefredaktion deshalb nicht bekannt. Selbstverständlich distanzieren sich @DerSPIEGEL und alle seine MitarbeiterInnen ausdrücklich von rechtsextremen Gesinnungen." Mehrere namhafte Journalisten des "Spiegel" waren bei Matusseks Geburtstagsparty, auch Kollegen von "Zeit Online", "Stern", "Focus" und "Bild".

Jan Böhmermann (ZDF Neo) hatte zuvor eine Reihe von Fragen an den "Spiegel" zu den Redaktionsmitgliedern bei der Geburtstagsfeier getwittert, etwa:

Kritik an seiner Kritik am "Spiegel" und anderen Medien konterte Böhmermann so:

"Mein Identitärer Freund"

Matussek postete am Samstag provokationsfröhlich Foto um Foto von der Feier auf Facebook, versehen mit kommentiertem Auszug der Gästeliste – etwa AfD-Politikerin Erika Steinbach, dem Verleger der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" Dieter Stein und etwa "meinem Identitären Freund Mario". Mario Müller vom Identitären-Ableger "Kontrakultur Halle" wurde laut deutschen Medienberichten zweimal wegen Körperverletzung verurteilt.

Beckmann bereut Besuch und Ständchen

Mario Müller steht auf Bildern von der Geburtstagsfeier lächelnd neben ARD-Moderator Reinhold Beckmann bei der Gesangseinlage für Matussek. "Bild" berichtete am Sonntag, Twitter bebte ohnehin schon.

Beckmann erklärte seinen Besuch auf Facebook am Montag, er habe mit seiner Interpretation des Bob-Dylan-Songs "Things Have Changed" ein "vergiftetes Geschenk" mitbringen wollen, "Matussek sollte was zu kauen haben. Schluckbeschwerden bekommen. Ich wollte so meine Widerworte gegen seinen Irrweg setzen." Beckmann verweist auf seine Textpassage: ""Ein trauriger Mann mit traurigem Geist, niemand mehr da, alle längst abgereist... Die Menschen sind verrückt, die Zeiten sind obskur. Er hängt hier fest, ist neben seiner Spur. Ihm war mal was wichtig, aber heut nicht mehr..."

Aber er räumt ein, "ich hätte dort nicht hingehen sollen": "Was mir nicht ganz klar war, in welcher Gesellschaft er da tatsächlich seinen Geburtstag feiern würde. Klar, ich hätte es mir denken können. Ich muss zugeben, ich habe mich da verlaufen." Sein Befund: "Wir kannten uns ja lange und ich erkannte ihn nicht mehr wieder. Es ist einfach nichts mehr da vom alten Matussek, kaum noch alte Freunde, dafür viele neue rechte Gesinnungskumpel. Wie bitter."

Bormann, Göring, Göbbels und der "selbst ernannte Führer"

Matussek postet bis Montag dazu vergnügt weiter etwa Reaktionen auf seine Kombinationsgabe bei der Gästeliste von "Bild" bis Böhmermann.

und legte ein paar Bilder fröhlich feiernder Medienleute samt Scherzen nach. Etwa den von der späten Einsicht, "welche Bagage ich da zu meinem 'Nazi-Geburtstag' (Zeit-online) eingeladen habe, Bormann, Göring, Goebbels und am Büffett (halb verdeckt) der 'selbst ernannte Führer':

(fid, 12.3.2019)

Update: "Spiegel"-Autor Jan Fleischhauer widmet sich in einer Kolumne ausführlich der Frage: Darf man als SPIEGEL-Redakteur an einer Geburtstagsfeier teilnehmen, zu der auch Menschen mit rechter oder sogar rechtsradikaler Gesinnung eingeladen sind?