Kann aufatmen, denn das erstinstanzliche Urteil gegen sie ist nun Geschichte: "Noch habe ich nicht gewonnen", sagt Sigi Maurer. "Aber ich bin zuversichtlich, dass ich diesmal freigesprochen werde."

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Wien – Das Oberlandesgericht Wien hat das Urteil in der Causa Bierwirt gegen Sigi Maurer aufgehoben, nachdem die grüne Ex-Abgeordnete wie ihr Privatankläger gegen das erstinstanzliche Urteil des Wiener Landesgerichts vom Herbst 2018 Berufung eingelegt hatten. Im Frühjahr hatte Maurer die obszönen Privatbotschaften via Facebook vom Account des Bierhändlers im achten Wiener Bezirk über soziale Netzwerke geoutet, ebenso die Identität des Mannes. Der Ladenbesitzer klagte Maurer daraufhin unter anderem wegen übler Nachrede, er bestritt stets, die Nachrichten abgesendet zu haben.

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Erstinstanzlich – also nicht rechtskräftig – wurde Maurer zu 3000 Euro verurteilt, dazu hätte sie dem Unternehmer 4000 Euro wegen erlittener Kränkung zahlen sollen. Doch laut Aussendung vom Dienstag hegte das Oberlandesgericht Bedenken "an der Beurteilung des Erstgerichts, wonach der Beschuldigten der Wahrheitsbeweis nicht gelungen sei, dass es wirklich der Privatankläger war, der die Nachrichten versendet hat".

Kein stimmiges Bild

Soll heißen: Das Erstgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass die Nachrichten immerhin vom Computer und vom Facebook-Account des Privatanklägers versendet wurden, und nicht beachtet, dass bei der Beurteilung des Wahrheitsbeweises eine gewisse Lebensnähe zu beachten sei, hieß es vonseiten des Oberlandesgerichts. Das Erstgericht habe die Latte für den Wahrheitsbeweis geradezu unerreichbar hoch angesetzt. Weiters schrieb das Oberlandesgericht: "Die Beweiswürdigung habe kein stimmiges Bild ergeben, denn der Privatankläger habe nicht schlüssig dargestellt, dass konkret eine andere Person die Nachrichten geschrieben und verschickt hat. Allein die theoretische Möglichkeit reiche nicht aus."

Obwohl der Kreis der möglichen Verfasser sehr klein gewesen sei, habe der Privatankläger keinen anderen Verfasser genannt. Dass jemand anderer die Nachrichten versendet habe, sei im konkreten Fall bei Berücksichtigung der übrigen Beweisergebnisse eigentlich nicht vorstellbar, denn der "unbekannte Verfasser" hätte wenig Zeit gehabt, dies unbemerkt zu tun; es seien weitere Personen im Lokal gewesen, die aber alle niemanden gesehen hätten, der zum Computer gegangen sei; und der "unbekannte Verfasser" hätte gleichzeitig beobachten müssen, ob der Privatankläger während des Verfassens der Nachricht ins Lokal zurückkommt. Fazit: Das erstinstanzliche Verfahren muss nun wiederholt werden.

In einer ersten Reaktion sagte Adrian Hollaender, der Anwalt des Bierwirts: "Durch die Neudurchführung des Verfahrens wird es erneut die Möglichkeit geben, die Fakten zu prüfen – bei Rechtsstreitigkeiten ist es nicht unüblich, dass diese mehrere Instanzen durchlaufen. Mein Mandant wird seine Fakten wieder wahrheitsgemäß darlegen – weil ihm im ersten Verfahren aufgrund von zahlreichen Tatsachen recht gegeben wurde."

Auch Ermittlungen anhängig

Zudem sind auch noch Ermittlungen gegen den Ladenbetreiber wegen möglicher falscher Beweisaussage im Erstverfahren anhängig, wie die Staatsanwaltschaft Wien dem STANDARD bestätigt.

Maurer selbst sagte angesichts des Entscheids: "Ich bin sehr glücklich darüber, dass das Oberlandesgericht unserer Berufung gefolgt ist und das Urteil aufgehoben hat. Es bestätigt damit meine Wahrnehmung und die vielen Beobachter und Beobachterinnen, dass die Begründung meiner Verurteilung nicht nachvollziehbar und lebensfremd war." Aber sie gibt auch zu bedenken: "Noch habe ich nicht gewonnen – jetzt heißt es zurück an den Start."

Maurers Anwältin Maria Windhager, die übrigens auch den STANDARD in rechtlichen Angelegenheiten vertritt, erklärte zudem: "Das Verfahren muss nun von einem anderen Richter vollkommen neu durchgeführt werden. Wir sind zuversichtlich, dass wir im zweiten Rechtsgang erfolgreich sein werden." (Rainer Schüller, Nina Weißensteiner, 12.3.2019)