Ob die Phantomköpfe im zahnmedizinischen Labor der SFU auch Phantomschmerzen haben, ist nicht bekannt.

Foto: SFU - Sigmund Freud Privatuniversität

Gute 600.000 Euro kostete die Infrastruktur des Phantomraums.

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Anfang März wurde nach zwei Jahren Bauzeit ein neues, sechsstöckiges Fakultätsgebäude eröffnet.

Foto: Kurt Hoerbst / SFU - Sigmund Freud Privatuniversität

Der "Phantomraum" an der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) ist gewöhnungsbedürftig. An klinisch sauberen Tischen montierte künstliche Köpfe auf stilisierten Torsos bilden ein Spalier, das in einem Gruselkabinett nicht fehl am Platz wäre.

Die obere Hälfte der Schädel ist glatt und in sterilem Weiß gehalten. Augen, Ohren und Haare gibt es nicht. Eine hautfarbene Kunststoffoberfläche bedeckt die untere Hälfte. Der weit aufgerissene, lippenlose Mund gibt den Blick auf das Gebiss frei.

Die fratzenhaften Artefakte nennen sich "Phantomköpfe" und sind seit kurzem Teil der zahnmedizinischen Ausbildung an der SFU. An ihnen können angehende Zahnärzte realitätsnah Behandlungen wie Bohren, Füllen oder Wurzelbehandlungen üben. 19 derartige Arbeitsplätze stehen Studierenden und Lehrenden zur Verfügung.

Jeder einzelne ist mit dem vollwertigen Instrumentarium einer echten Zahnarztpraxis ausgestattet. Dazu gehört beispielsweise eine Multifunktionsspritze, die Wasser und Luft ausstößt. Ebenso ein Ultraschallgerät zum Entfernen von Zahnstein. Und der obligatorische Bohrer, bestehend aus Elektromotor, dem sogenannten Winkelstück und einem Schleifkörper. Lediglich der Patientenstuhl fehlt, die künstlichen Köpfe werden einfach in die gewünschte Position gebracht und fixiert.

Kronen und Wurzeln

"Wir legen viel Wert auf Ergonomie", sagt Wolfgang Manschiebel, Ärztlicher Leiter der Universitätsklinik für Zahnheilkunde an der SFU. Jeder Arbeitsplatz lässt sich präzise anpassen und verfügt zusätzlich über einen Monitor. Auf diesem kann der Ausbildner Unterrichtsmaterial einblenden. Sein Platz ist außerdem mit einer Videokamera ausgestattet. So können die Studierenden das, was der Ausbildner vorzeigt, auf ihren Monitoren mitverfolgen.

"Wir können Vorgaben machen, etwa wie ein bestimmter Zahn für eine Krone beschliffen werden muss", sagt Manschiebel. Er zeigt vor, wie viel Material in welchem Winkel vom Zahn abgetragen werden muss. Die Studierenden haben dann das Bild des Soll-Resultats vor sich, während sie sich selbst an ihren Phantomköpfen versuchen. So können sie laufend vergleichen, wie gut das eigene Werk mit dem gewünschten Ergebnis übereinstimmt. Es ist sogar möglich, ein Bild der Vorgabe über ein Bild der eigenen Arbeit zu legen und so eventuelle Unterschiede deutlich zu machen.

Besonders stolz ist Manschiebel auf die Möglichkeit, an den Phantomköpfen elektronische Längenmessungen von Wurzelkanälen durchzuführen. Diese Technik ersetzt in der Praxis zunehmend Röntgenaufnahmen, gilt aber als schwierig zu erlernen. Dafür gibt es spezielle Kunststoff-Kieferteile, in die ein elektrisch leitendes Gel gestrichen wird.

Die Grenze der Simulierbarkeit bildet derzeit noch die Extraktion, also das Ziehen von Zähnen. Hier greift man ganz klassisch auf Schweinekiefer zurück. "Die Arbeit an den Phantomköpfen ist natürlich etwas anderes als die am Menschen", sagt Manschiebel. "Aber man kann damit den Studierenden die Angst nehmen, dass sie irgendetwas grob falsch machen, wenn sie das erste Mal einen Patienten behandeln."

Expansion und Simulation

Gute 600.000 Euro kostete die Infrastruktur des Phantomraums. Diese Investition ist Teil der jüngsten Expansionsmaßnahmen der SFU. Anfang März wurde nach zwei Jahren Bauzeit ein neues, sechsstöckiges Fakultätsgebäude eröffnet, das gegenüber dem SFU-Hauptsitz unweit des Wiener Praters Platz für 1400 Studierende der Rechtswissenschaften, Humanmedizin und Zahnmedizin bietet.

Letzterer steht der komplette zweite Stock zur Verfügung. Neben dem bereits jetzt genutzten Phantomraum entsteht bis zum Sommer außerdem ein Ambulatorium mit 18 Behandlungsplätzen für den klinischen Betrieb und weiters ein Raum zur 3D-Modellierung von Zahnersatz und Kieferprothesen, ein Zahntechnikübungsplatz und zwei Simulationsräume.

Digitale Medizin ist ein Lehr- und Forschungsschwerpunkt der SFU. So wurde im neuen Gebäude ein Simulationszentrum für die Humanmediziner eingerichtet. Hier können virtuell wichtige Fertigkeiten geübt werden, beispielsweise wie man Drainagen legt oder bei Patienten Atemmasken anbringt. Aktuell hat Österreichs größte Privatuniversität rund 5000 Studierende in Österreich – nun sind die Kapazitäten für weiteres Wachstum geschaffen. (Raimund Lang, 18.3.2019)