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Sergej Lawrow und Karin Kneissl verstehen sich offenbar fast so gut wie Wladimir Putin und Karin Kneissl.

Foto: AP/Alexander Zemlianichenko

Es seien "gute Gespräche" gewesen, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach seinem Treffen mit Außenministerin Karin Kneissl. Und trotz der wie gewöhnlich tief heruntergezogenen Mundwinkel war dem russischen Chefdiplomaten seine Zufriedenheit anzumerken. Er lobte die wirtschaftlichen Beziehungen – ein "Plus von mehr als 42 Prozent im Handelsvolumen auf fast sechs Milliarden Dollar" – und die regelmäßigen Kontakte auf politischer Ebene, die dazu beitrügen, dass sich die russisch-österreichischen Beziehungen "trotz der schwierigen Situation in Europa dynamisch entwickeln".

Wie es später hieß, absolvierte Kneissl aber auch einen anderen Besuch, über den Journalisten im Vorfeld nicht informiert worden waren: Sie traf nach Informationen der APA auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammen. Das Gespräch, über dessen konkreten Inhalt vorerst nichts bekannt wurde, soll laut Angaben Kneissls 90 Minuten gedauert haben. "Es war ein Tour d'Horizon über die weltpolitische Lage", sagte Kneissl am Dienstagabend gegenüber österreichischen Journalisten in Moskau. "Einfach ein gutes Gespräch."

Die inoffizielle Zusammenkunft dürfte nicht nur wegen der Geheimhaltung erneut für Diskussionen sorgen: Immerhin hatte im Sommer Kneissls Hochzeitseinladung an Putin und anschließende Bilder, auf denen sie beim Tanz einen Knicks vor dem russischen Präsidenten macht, für innenpolitische Aufregung gesorgt.

Zufrieden dürfte Kneissl auch abseits ihrer Zusammenkunft mit dem Präsidenten mit den Ergebnissen der Visite sein. Lawrow hatte sie im Vorjahr bei ihrem Antrittsbesuch noch auflaufen lassen, als sie eine österreichische Vermittlerrolle in Syrien angeboten hatte – die Lawrow dankend ablehnte. Diesmal sicherte sich Kneissl Moskaus Unterstützung für ihr humanitäres Entminungsprojekt in dem Bürgerkriegsland.

Scherze für die Kameras

Überhaupt war der Besuch von demonstrativer Freundlichkeit geprägt: Den prunkvollen Konferenzsaal im Gästehaus des russischen Außenministeriums betraten die Minister gemeinsam, scherzten vor den Kameras und lobten das Gesprächsklima auf bilateraler politischer Ebene.

Auch die Enten der österreichischen Außenministerin waren Gesprächsstoff in Moskau: Diese würden Jared und Ivanka (in Anspielung an den Schwiegersohn und die Tochter von US-Präsident Donald Trump, Anm.) heißen, schrieb am Dienstag der prominente Moskauer Journalist Aleksej Wenediktow im Messaging-Dienst Telegram. Kneissl zeigte sich auf Nachfrage über die Informiertheit Wenediktows überrascht und korrigierte nur ein Detail. "Woher weiß der das? Meine zwei Enten heißen Donald und Ivanka. Und der ganze Entenstall heißt Washington", erklärte Kneissl.

Sie möge Enten, sagte sie, deren Namen habe sie aber nicht vielen Gesprächspartnern erzählt. Informiert sei aber der US-Botschafter in Österreich, Trevor D. Traina: "Ich habe den US-Botschafter im Herbst eingeladen und ihm die Enten vorgestellt. Seine Sohn sagte dabei: Papa, du siehst wie sie aus", erinnert sich die Außenministerin.

Gemeinsame Erklärung

Die Gespräche – nicht über die Enten, sondern über die Beziehungen der beiden Länder – sollen nun auch auf anderen Ebenen weitergeführt werden. Beide Minister unterzeichneten am Dienstag eine gemeinsame Erklärung zur Gründung des zivilgesellschaftlichen Forums. "Wir sind in einer Zeit der Sprachlosigkeit auf vielen Ebenen angelangt, und um das zu überwinden, dazu eignen sich solche Formate", begründete Kneissl auf der anschließenden Pressekonferenz ihr Vorgehen. Ihren Worten nach dient das Forum dem Aufbau von Vertrauen. Es gehe um eine stärkere Partnerschaft in den Bereichen Musik und Kunst, in Sport und Wirtschaft. Geplant seien eine stärkere Hochschulkooperation und die Weiterführung der Historiker-Kommission.

Prominent besetztes Forum

Als Kovorsitzende des Sotschi-Dialogs fungieren von österreichischer Seite aus der langjährige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, von russischer Seite Präsidentenberater Andrej Fursenko. Im Lenkungsausschuss sind laut Kneissl zudem noch die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums Sabine Haag, Historiker Stefan Karner und Exjustizminister Wolfgang Brandstetter. Stark vertreten ist die Wirtschaft durch die Unternehmer Richard Schenz und Hannes Androsch, den Vizechef der Industriellenvereinigung Hubert Bertsch und WKO-Chef Karlheinz Kopf.

Trotzdem dementierte Kneissl gegenüber dem STANDARD, dass die Ausrichtung des Sotschi-Dialogs wirtschaftslastig sein werde. Sie verwies speziell auf die Möglichkeiten der Kultur, neue Anknüpfungspunkte "dort zu schaffen, wo es mit gewöhnlicher Diplomatie" nicht weitergehe. Zudem betonte sie die Fokussierung auf eine Kooperation von Regionen und Städten.

Erste Sitzung noch heuer

Laut Lawrow wird die erste Sitzung "heuer noch in Sotschi" stattfinden. Viel deutet auf einen Termin im Mai hin. Derzeit laufen die Vorbereitungen für einen Besuch von Bundespräsident Van der Bellen in Russland.

Als weiteren Schritt zur Annäherung ist die Eröffnung eines österreichischen Generalkonsulats in St. Petersburg und die Ernennung eines Honorarkonsuls in Nowosibirsk geplant. Da beide Seiten im Rahmen des Jugendaustauschjahres vermehrt Gratisvisa an Studierende ausgeben wollen, dürften die Konsulate Arbeit genug haben.

Beim Beziehungsausbau mit Russland sieht sich Kneissl in Übereinstimmung mit der EU-Politik. Mehrfach betonte sie in Moskau, dass Wien seine Ostpolitik im Rahmen der EU-Leitlinien betreibe. Österreich halte sich an die Sanktionen, doch zugleich strebe es danach, verstärkte Kontakte zwischen den Ländern herzustellen, um Verständnis zu erzeugen, sagte die Ministerin. (André Ballin aus Moskau, 12.3.2019)