Harling Ross, die Modechefin meines Lieblingsfashionblogs The Man Repeller erklärte einmal in einem Essay, warum sie im Fitnessstudio nur alte, abgetragene Shirts und Baumwollshorts trage. Das ist überraschend, denn bei den Man-Repellerinnen um die famose Blogchefin Leandra Cohen handelt es sich allesamt um Frauen, die sich selbst zum Fladern der Wochenendzeitung sorgfältig ein Outfit zusammensortieren, vorzugsweise newyorkerisch-eklektisch.

Beim Training aber fühle sie sich wohler und mehr sie selbst, seit sie die schicke Markensportswear, die jede Wölbung und jede Bewegung ausstellte, wieder gegen ihre uralten, löchrigen, weiten, weichen Sachen eingetauscht habe, meinte Ross. Ja, hat was.

Es ist aber auch genau umgekehrt möglich. Vor allem wenn man regelmäßig trainiert und Muskeln irgendwann nicht mehr nur eine gut gepolsterte Behauptung sind. In meiner Workout-Gruppe kamen in den Anfängen alle in ausgeleierten Jogginghosen und löchrigen Band-T-Shirts aus den Achtzigerjahren überm verwaschenen Sport-BH.

Jetzt, ein paar Jahre und viele Kraftübungen später, sieht man neonfarbene Träger unter gut geschnittenen, atmungsaktiven Markenshirts hervorleuchten, die abgetragenen Schlabberhosen weichen Leggins und Yoga-Pants. In erster Linie, weil die Löcher in den alten Sachen mittlerweile größer waren als das Textil rundherum.

Wer sich sportlich kleidet, trainiert lieber, sicherer und konzentrierter.
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Das sportlichere Ich

Das passende Outfit kann auch Auswirkungen auf das eigene Training haben: Es gibt Untersuchungen, die nahelegen, dass man lieber, selbstbewusster und dadurch effizienter trainiert, wenn man sich in seinem Outfit wohl, sicher und nicht völlig unattraktiv fühlt. Laut Sportpsychologen ziehe man sich eben nicht nur ein Sportgewand an, sondern begebe sich in einen anderen Charakter, sozusagen in sein sportliches Ich, was das Training erleichtere. Rollenspiel Sport, quasi.

Ordentliche Fitnesskleidung leistet aber natürlich mehr als das: Sie erhöht die Bewegungsfreiheit, minimiert die Verletzungsgefahr, und man trainiert konzentrierter, wenn nichts reibt, juckt, zwickt oder flattert.

Insgesamt führt das zu fitten Umsatzsteigerungen in der Branche: Um sechs Prozent werde allein der weltweite Markt für Yoga-Bekleidung bis 2023 wachsen, prognostizieren Marktforscher. Wer das nicht unterstützen möchte, legt sich einmal ein qualitativ hochwertiges Outfit zu, das nicht nach ein paar Trainingsstunden und Wäschen k. o. geht. Oder Old-Fetzen-Wear, wie es beliebt.

Apropos k. o.: ein Nachtrag zur Kung-Fu-Kolumne. Darin ging es auch um die Abwehr eines Messerangriffs. Ein Kollege mit vielen Jahren Kampfsporterfahrung, schrieb mir, er halte es für riskant, den Eindruck zu vermitteln, man könne in ein paar Trainingsstunden lernen, sich gegen so einen Angriff zu wehren. Ich pflichte ihm bei. (Doris Knecht, RONDO, 13.5.2019)