Alexandra Exters "Farbdynamik (Blau-Weiss-Rot)": Das Gemälde entpuppte sich als Fälschung. Internationale Experten verweigerten 2012/13 einen Schätzwert für die Versicherung, weshalb zur Bemessung der Kaufpreis von rund zwei Millionen Euro herangezogen wurde.

Foto: Repro, Albertina / „Monet bis Picasso – Die Sammlung Batliner“, Vlg. Imhof, 2007

Geht es um Werke der russischen Avantgarde, dann gilt in der Fachwelt seit Jahrzehnten der Tenor: Bis zum Nachweis der Echtheit geht man von Fälschungen aus. Insofern mutet Klaus Albrecht Schröders laxe Handhabung der von Herbert und Rita Batliner als Dauerleihgabe überlassenen Schützlinge rückblickend eigentümlich an. Und es wirft die Frage auf, ob wissenschaftliche Standards beachtet oder dem Wohlwollen des Leihgebers untergeordnet wurden.

Ende 2017 war über Schweizer Medien bekannt geworden, dass sieben Gemälde aus dieser Gruppe als Fälschungen entlarvt worden waren. Das hätten Untersuchungen im Vorfeld einer Ausstellung in der Albertina (Chagall bis Malewitsch, Februar bis Juni 2016) ergeben, wie Direktor Schröder damals bestätigte. Es handelt sich um Werke von Ljubow Popowa, Alexandra Exter, Alexander Rodtschenko, Iwan Puni und El Lissitzky, die teils über Jahre in der Albertina zu sehen waren.

Schätzung verweigert

Dem STANDARD vorliegenden Informationen zufolge hätten die Alarmglocken schon deutlich früher schrillen müssen. Spätestens 2012/13, als internationale Experten eine Schätzung des Werts dieser Bilder für die Versicherung verweigerten. Sie verwiesen auf mangelhafte Informationen sowie das Fehlen von Expertisen und empfahlen umfangreiche Recherchen zur Herkunft der Werke.

Eine Warnung, die von der Albertina als "wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts des Bundes", fürs Erste ignoriert wurde: Einige der betroffenen Werke wurden auch noch bei der Neuaufstellung der Sammlung Batliner ab Februar 2014 gezeigt. Darunter jene Bilder von El Lissitzky und Alexandra Exter, die sich später als Fälschungen entpuppten. Bei Lissitzkys Proun hätte es schon vor der Übernahme als Dauerleihgabe Bedenken geben müssen. Im 2005 in Vaduz publizierten Bestandskatalog der Sammlung findet sich der Vermerk, dass sich "die Authentizität dieses Bildes, das nirgends in der Fachliteratur erscheint, bislang nicht bestätigt" habe.

Fälschungen nahmen überhand

Bei Alexandra Exter, die in der Sammlung Batliner vermeintlich mit den Gemälden Stillleben mit Flaschen und Krug sowie Farbdynamik (Blau-Weiß-Rot) vertreten war, gab es ebenfalls Signale. Andrej Nakow, ein Kunsthistoriker und Experte für Malewitsch und Exter, gründete 2000 eigens eine Association, da Fälschungen der Künstlerin überhandnahmen. Er warnte schon in den 1990er-Jahren vor Fantasieprovenienzen, also falschen Angaben zu Vorbesitzern, denen, wie sich herausstellte, auch Batliner aufgesessen war.

Warum die Herkunft dieser Werke gemäß internationalen Standards und eingedenk der bekannten Problematik nicht schon zeitnah zur Übernahme der Leihgabe überprüft wurde? Ein an die Albertina übermittelter Fragenkatalog blieb unbeantwortet. Nur so viel ließ man verlauten: Zum Thema Fälschungen sei alles gesagt, Detailfragen zu Dauerleihgaben beantworte man grundsätzlich keine (mehr).

Versicherungsprämie

Aus dem zuständigen Ministerium war zu erfahren, dass wissenschaftliche Standards generell und unabhängig vom Besitzverhältnis zu beachten seien, für Dauerleihgaben gelten demnach dieselben Kriterien wie für Bundesbesitz. Damit wären im Falle der Batliner-Fakes sowohl der Reputationsverlust eines Bundesmuseums als auch Kosten vermeidbar gewesen. Denn die Werke blieben bis zum Nachweis der Fälschung versichert.

Zur Bemessung der Prämie wurden die einst von Batliner bezahlten Kaufpreise herangezogen: etwa 850.000 Euro für den Lissitzky oder 1,3 bzw. rund zwei Millionen Euro für die Exters. Wie bei Dauerleihgaben üblich, übernahm die Albertina die Kosten der Versicherung. Ob auch die Transporte und die umfangreichen Untersuchungen sowie Materialanalysen in London und Zürich über öffentliche Subventionen finanziert wurden, blieb unbeantwortet. Ebenso, wie viele Werke insgesamt überprüft wurden und teils, nun von etwaigem Verdacht befreit, die Wände der Albertina schmücken. Ein potenzieller Kostenfaktor, der den Prüfern des Rechnungshofes (Zeitraum 2013-2016) durch die Lappen gegangen sein könnte. (Olga Kronsteiner, 13.3.2019)