Foto: Fatih Aydogdu

Zufall sieht anders aus. Dass sich DHL aus Österreich zurückzieht, hat offenbar einen direkten Zusammenhang mit dem Markteintritt von Amazon. Der E-Commerce-Gigant ist im Herbst des Vorjahres auch bei der Zulieferung in den heimischen Markt eingestiegen und stellt die Päckchen im Großraum Wien von einem neuen Verteilzentrum in Niederösterreich aus selbst zu. Dass die Avancen der Amerikaner bei den etablierten Zustellern Handlungsbedarf auslösen, liegt auf der Hand.

Alles Post

Die Post etwa lancierte erst vergangene Woche das neue Produkt "Alles Post", bei dem Kunden gegen ein Entgelt eine Garantie erhalten, dass der halbstaatliche Konzern das Paket zustellt. Es kommt dann nach Hause oder in die Abholstation. Damit will der heimische Platzhirsch auf jene Klagen reagieren, die immer wieder über die Zustellung durch andere Lieferanten oder Amazon selbst zu hören sind. Allerdings geht der Service auch einigermaßen ins Geld. "Alles Post" gibt es u. a. im Jahresabo um 39,90 Euro, dabei sind 40 Pakete abgegolten. Dass das Angebot nach der geplanten Übernahme von DHL Österreich Bestand haben wird, gilt als fraglich.

DHL hatte hierzulande auch ziemlich große Pläne. 2015 gestartet, bringt es die Deutsche-Post-Tochter bereits auf einen Marktanteil von 27 Prozent und ist somit hinter der Österreichischen Post Nummer zwei. Die Zeichen waren bisher deutlich auf Expansion gestellt. Erst im Herbst erfolgte der Spatenstich für ein neues Logistikzentrum, das auf den Großraum Linz ausgerichtet ist. Weitere Verteilerzentren existieren in Wien und Graz. Dass die Deutschen das Paketgeschäft – DHL Express ist vom Post-Deal ebenso wenig betroffen wie der Frachtbereich – inmitten der Expansion plötzlich aufgeben, lässt auf eine eher kurzfristige Strategieänderung schließen.

Starkes Wachstum

Dass Amazon das Zusammengehen massiv beeinflusst hat, darauf lässt ein weiterer Faktor schließen: Das Geschäft wächst massiv, ohne den neuen Rivalen würde ein Ausstieg aus dem Markt keinen Sinn ergeben. Der Onlinehandel hat den Zustellern 2018 im Konsumentengeschäft einen starken Zuwachs von fast 15 Prozent auf 133 Millionen Sendungen beschert. Dazu kommt das schwächere, aber dennoch wachsende Geschäftskundensegment. Die Post hat im Vorjahr 108 Millionen Pakete ausgeliefert und rechnet mit einem Wachstum auf 150 Millionen Stück bis 2022.

Der Erste-Group-Analyst Christoph Schultes meinte schon zu Jahresbeginn, Amazons Markteintritt könnte dazu führen, dass DHL mittelfristig drei Millionen Pakete weniger ausliefern werde. Für die Deutschen werde es unter diesen Umständen "schwierig, wenn nicht sogar unmöglich", profitabel zu werden.

Platzhirsch gegen Neuankömmling

Nun erzählen sich Branchenkenner, dass Amazon ein Auge auf DHL geworfen habe. Damit wären die Amerikaner auf einen Schlag flächendeckend und mit eigener Infrastruktur am Markt etabliert gewesen. Eine delikate Situation für die Österreichische Post, die nicht nur Konkurrent, sondern auch Kunde von Amazon ist. So liefert der Platzhirsch u. a. Pakete aus osteuropäischen Amazon-Zentren für Österreich aus. Mit einem Zukauf von DHL hätte der Gigant aus Seattle eigene Ressourcen für die Zustellung. Der Post drohte also ein massiver Geschäftsausfall, ist zu hören.

Gemeinsam mit DHL kommt die Post auf gut 70 Prozent Marktanteil, was einige kartellrechtliche Fragen aufwirft. Bei 30 Prozent wird in der Regel von einer marktbeherrschenden Stellung gesprochen, bei der eine Untersagung eines Zusammenschlusses zur Debatte steht. Die Wettbewerbsbehörde konnte am Dienstag noch keine konkreten Angaben zu dem Fall machen, da noch kein Genehmigungsantrag vorlag. Post-Chef Georg Pölzl deutete aber bereits an, warum er mit grünem Licht rechnet. Wegen des Amazon-Einstiegs sieht er keine Einschränkung des Wettbewerbs. Dazu kommt: Der hohe Marktanteil bezieht sich auf die Belieferung von Haushalten, nimmt man Geschäftskunden hinzu, ergibt sich ein anderes Bild.

Preisdruck dürfte anhalten

Derzeit hat Amazon zwei Prozent Marktanteil, wie die Beratungsgruppe Kreutzer Fischer & Partner berechnet hat. Branchenkenner glauben angesichts der Konkurrenz durch die Amerikaner nicht, dass die angekündigte Allianz groß an der Preisschraube drehen könne. Berater Andreas Kreutzer meint, dass auch andere Konkurrenten wie DPD oder Hermes weiter für Wettbewerb sorgen werden. Weiterhin groß dürfte der Lohndruck auf die Mitarbeiter bleiben. Die Post will alle DHL-Leute übernehmen. (as, 12.3.2019)