Sie muss ein zweites Mal in der Untersuchungskommission aussagen und wird nun von den Wiener Neos angezeigt: Die ehemalige Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely kommt in Sachen Krankenhaus Nord nicht zur Ruhe.

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Der Klubobmann der Wiener Neos, Christoph Wiederkehr, mit der Sachverhaltsdarstellung. Rechtliche Expertise kam in der Causa von Volkert Sackmann (links).

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Wien – Die Wiener Neos bringen Sachverhaltsdarstellungen in der Causa Krankenhaus Nord bei der Staatsanwaltschaft ein. "Es mehren sich die Anzeichen, dass SPÖ und Grüne im Endbericht zur Untersuchungskommission die politische Verantwortung nicht thematisieren wollen, sondern lediglich Handlungsempfehlungen für die Zukunft abgeben", sagte Klubobmann Christoph Wiederkehr am Mittwoch. Das reiche nicht, die politische Verantwortung liege klar auf dem Tisch. "Wir müssen aber auch schauen, ob mögliches strafrechtliches Fehlverhalten verwirklicht wurde, und schalten deshalb die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein."

Es geht dabei um zwei Themen: den Wirtschaftsplan des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) 2018 und die vorzeitige Abrufung eines Kredits der Europäischen Investitionsbank (EIB) für das Bauprojekt im Jahr 2010. Die Neos sehen in beiden Fällen strafrechtlich relevante Versäumnisse.

Vorwurf der Bilanzfälschung

Die ehemalige SGesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), der ehemalige KAV-Generaldirektor Udo Janßen und sein damaliger Stellvertreter Thomas Balázs sollen für die missbräuchliche Aufstellung des Wirtschaftsplans des KAV belangt werden. In dem Plan, der dem Gemeinderat im Oktober 2017 vorgelegt wurde, werden nicht nur die Gesamtkosten für das Projekt angegeben, sondern auch 200 Millionen Euro als "Forderungen aus Regressansprüchen und Versicherungsentschädigungen". Genau hier sehen die Pinken das Problem. Zahlreiche Zeugen hätten in der Untersuchungskommission über das Bauprojekt nämlich ausgesagt, dass diese Summe unrealistisch sei. "Es besteht also der Verdacht, dass die Kosten für das Krankenhaus lange Zeit geschönt wurden. Unter anderem, damit die Kostenexplosion nicht dem Gemeinderat vorgelegt werden muss", sagt Wiederkehr.

Eine rechtliche Einschätzung lieferte bei der Pressekonferenz am Mittwoch Volkert Sackmann. Der Strafrechtsexperte war einige Jahre Co-Leiter der Wirtschaftsgruppe in der Staatsanwaltschaft Wien. Es gehe hier ganz klar um möglichen Amtsmissbrauch. "Eine Buchung wie diese, die suggerieren soll, dass eh alles in Ordnung ist und das Budget für den KAV nicht erhöht werden muss, weil eh 200 Millionen zurückkommen – das ist Bilanzfälschung, wenn es dafür keine reale Basis gibt." In der Privatwirtschaft könne man eine solche Summe nur buchen, wenn die Wahrscheinlichkeit, diese tatsächlich zu lukrieren, sehr hoch ist. Wiederkehr fügte hinzu, dass laut mehreren Wirtschaftsprüfern in der Regel 25 Prozent der Maximalsumme gebucht werden. Das wären im Fall des Bauprojektes 50 Millionen Euro.

Was Balázs und Janßen und Wehsely bisher sagten

Balázs und Janßen haben sich in der Untersuchungskommission natürlich schon zu den 200 Millionen geäußert und darüber, wie realistisch diese Regressforderungen sind. Janßen sagte dazu unter anderem: "Wenn Sie jetzt fragen, wie ich mit der Wahrscheinlichkeit umgehe, mit der ein bestimmter Prozentsatz davon generiert werden kann, dann sage ich: Ich weiß es nicht. Schätzungen fallen da schwer, man kann eventuell nur aus Analogien ableiten. Insofern würde ich mir jetzt nicht anmaßen, darüber zu befinden, wie die Juristerei insbesondere in Österreich funktioniert und was am Ende herauskommt, wenn es um Streitbeilegung und Streitschlichtung im klassischen Rechtsstreit geht."

Balázs, der im KAV unter anderem für die Finanzen zuständig war, sagte unter anderem, dass die 200 Millionen nicht die Maximalsumme gewesen seien, sondern zwei Drittel der Forderungen, die durch mehrere Gutachten erarbeitet wurden. Und auf eine Frage von Wiederkehr antwortete er: "Also wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre, hätte ich damals nicht den Vorschlag an den Generaldirektor gemacht, es auch so anzusetzen und diese Vorgangsweise so zu wählen. Wenn Sie mich bei diesem Thema fragen, wie realistisch oder wie klar die Dinge sind, dann glaube ich, wenn es ein Gutachten gibt, wenn es eine Bewertung gibt, dann sind das Themen, die man auch in dem Ausmaß geltend machen sollte."

Sackmann lieferte auch die passenden Paragrafen, woraus die Verantwortlichkeit von Wehsely, Janßen und Balázs hervorgeht. Letztere zwei sind demnach für die Erstellung des Plans im KAV zuständig, Wehsely hat als zuständige Stadträtin wiederum die Kontrolle über die Geschäftsführung inne. Mitte November, als Wehsely in der Untersuchungskommission als Zeugin befragt wurde, machte sie diesbezüglich deutlich: "Die operative Verantwortung liegt nicht bei der Stadträtin, dafür gibt es ein Management, das dafür eingesetzt und bezahlt wird." Ihre Überwachungsaufgaben habe sie "redlich" wahrgenommen.

Neos sehen Misswirtschaft

Keine Verantwortlichen werden in der zweiten Sachverhaltsdarstellung genannt – hier geht die Anzeige also gegen unbekannt. Es geht um einen Punkt, den auch der Rechnungshof in seiner Prüfung des Bauprojekts kritisierte und der bereits in der Untersuchungskommission mehrmals Thema war: Im Oktober 2010 rief die Stadt 75 Millionen Euro von einem Darlehnen der EIB ab, das insgesamt 300 Millionen betrug. Das restliche Geld wurde nicht – wie eigentlich geplant – 2011 und 2013 abgerufen, sondern nur zwei Monate später, im Dezember 2010. Dieses vorzeitige Abrufen hätte einen Zinsmehraufwand von 30 Millionen Euro bedeutet, so die Prüfer damals.

Die Kosten für das Spital sind von 825 Millionen auf 1,3 Milliarden explodiert, sagt Sackmann, was eine Überschreitung von rund 62 Prozent sei. Es sei denkbar, dass das auf bloßes Unvermögen zurückgehe. Aber die Geschichte, etwa der Bau des AKH, habe gezeigt, dass auch vorsätzliche Handlungen dafür verantwortlich sein können. "Der bereits durch den Rechnungshof aufgedeckte Umgang mit von der EIB gewährtem Fremdkapital ist bereits ein starkes Indiz für ein allenfalls strafrechtlich relevantes Fehlverhalten", sagt Wiederkehr. Ins Strafrecht übersetzt heißt das: Wird anlässlich des Abrufs der 225-Millionen-Resttranche auch eine Vermögensschädigung billigend in Kauf genommen, kann das Delikt der Untreue verwirklicht sein.

Kritik an geschwärzten Dokumenten

Von der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erhofft sich Wiederkehr eine "umfassende Ermittlung", da die Behörde vollständige Einsicht in Akten nehmen könne. Der Kommission seien nämlich oft nur geschwärzte bzw. geweißte Dokumente vorgelegt worden. Eine Tatsache, die selbst die Vorsitzende der Kommission in der letzten Sitzung kritisierte. (Lara Hagen, 13.3.2019)