Brasilia – Mit einem Angriff auf zwei Journalisten hat sich Brasilien Präsident Jair Bolsonaro eine lebhafte Diskussion über die Pressefreiheit in Brasilien losgetreten. Just einen Tag, bevor einer der angegriffenen Journalisten einen brisanten Bericht veröffentlichte.

Mit einem detaillierten Text schildert der investigative Journalist der Zeitung O Globo, Chico Otávio, am Dienstag die Ermittlungen der Polizei, die zur Festnahme zweier Tatverdächtiger im Mordfall Marielle Franco führten. Am Montag noch war Otávio selbst Gegenstand der "Berichterstattung". Präsident Jair Bolsonaro hatte versucht, ihn, aber vor allem seine Tochter Constanca Rezende, ebenfalls Journalistin bei der Tageszeitung Estado de Sao Paulo, in aller Öffentlichkeit zu diskreditieren.

Mit einem detaillierten Text schildert der investigative Journalist der Zeitung O Globo, Chico Otávio, am Dienstag die Ermittlungen der Polizei, die zur Festnahme zweier Tatverdächtiger im Mordfall Marielle Franco führten. Am Montag noch war Otávio selbst Gegenstand der "Berichterstattung". Präsident Jair Bolsonaro hatte versucht ihn, aber vor allem seine Tochter Constanca Rezende, ebenfalls Journalistin bei der Tageszeitung Estado de Sao Paulo, in aller Öffentlichkeit zu diskreditieren.

Der Vorwurf Bolsonaros schien durchaus schwer. Es präsentierte Tonaufnahmen, in denen die Journalistin in einem Telefongespräch mit einer nicht weiter benannten Person angeblich behauptet, "Das Leben von Flavio Bolsonaro ruinieren" zu wollen und für den Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren herbeiführen zu wollen. Das Video verfehlte seine Wirkung nicht. Es wurde mehr als zwei Millionen Mal angeschaut, erhielt über 60.000 Likes und wurde viele Tausend Mal geteilt.

Falsche Behauptung in Tweet

Das Problem dabei: Das, was der Präsident in seinem Tweet behauptet, stimmt nicht. Die kolportierte Aussage hat sie nicht gemacht. In etwas holprigem Englisch erklärt die Journalistin lediglich, dass die Ermittlungen gegen Sohn Flavio – gegen ihn ermittelt die staatliche Stelle COAF wegen undurchsichtiger Zahlungen – diesen "ruinieren" könnten, sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen. Rezende hält das Material für so brisant, dass es möglicherweise gar zu einem Impeachment gegen Präsident Jair Bolsonaro reichen könnte. Die Arbeit Rezendes und Otávios dienten dem Zweck, "dem Staat zu schaden", so der Vorwurf des Präsidenten.

Erstmals Veröffentlicht hatte die Interview-Ausschnitte die weithin unbekannte Plattform "Terca Livre". Demnach soll es sich um einen französischen Journalisten gehandelt haben, der die Frage stellte. Autorin des Textes ist Fernanda de Salles Andrade. Sie ist seit Februar Mitarbeiterin im Abgeordnetenbüro von Bruno Engler. Er ist von der selben Partei wie Präsident Jair Bolsonaro.

"Der Vorfall zeigt nicht nur eine Mangel an Verpflichtung zur Wahrheit und den Fakten", reagierte der brasilianische Journalistenverband. "Das ist schon schlimm genug." Er zeige zudem einen Missbrauch seiner Machtposition, um Medien und Journalisten einzuschüchtern. Auch João Caminoto, Verlagschef bei Estado de Sao Paulo ist alarmiert. "Es ist ein Angriff auf den Journalismus und letztlich auch auf die Demokratie", sagte er dem Guardian. Auch im Internet erntete Bolsonaro viel Kritik. Nachdem sein verwendeter Hashtag "Estadao lügt" vorübergehend zu den meistverwendeten gehört hatte, wendete sich das Blatt. "Bolsonaro ist Fake News" avancierte zum Spitzenreiter.

Bolsonaros Verhältnis zur Presse ist tief gespalten bis zerrüttet. Und das war es schon vor der Wahl. Die Zeitung Folha de SaoPaulo hatte Wahlmanipulationen aufgedeckt. Über Whatsapp hatten Bolsonaro-Unterstützer gezielt Lügen über den linken Gegenkandidaten Fernando Haddad verbreiten lassen. Experten vermuten, dass diese Kampagne wesentlichen Einfluss auf den Wahlausgang hatte.

Reportern Zutritt verwehrt

Die erste Pressekonferenz als gewählter Präsident hatte er in seinem Garten abgehalten, als Rednerpult ein Surfbrett. Die Zeitung Estado de Sao Paulo hatte er, neben anderen, ausdrücklich ausgeladen und Reportern keinen Zutritt gewährt. Diese Antipathie gegen einige Medien eint ihn mit seinem großen Vorbild, dem US-Präsident Donald Trump, dem er in den kommenden Tagen zum Antrittsbesuch treffen wird. Auch in seiner Art, Politik im Wesentlichen über die sozialen Netzwerke wie Twitter oder Facebook zu betreiben, eint die beiden Staatslenker.

Der Angriff auf Rezende kam nicht von Ungefähr. Die Journalistin arbeitete an den Verstrickungen von Präsidentensohn Flavio Bolsonaro mit den Milizen von Rio. Auch ihr Vater Chico Otávio gilt als versierter Kenner der organisierten Kriminalität im Milizenmilieu. Undurchsichtige Zahlungen an einen früheren Fahrer, die der Antikorruptionsbehörde (COAF) aufgefallen waren, rückten Bolsonaro Junior in diesen Zusammenhang. Jener Schattenmacht, die in Rio de Janeiro durch Schutzgelderpressung und Schwarzhandel weite Teile des Stadtgebiets kontrolliert und zudem für den Mord an der Bürgerrechtlerin und Stadträtin Marielle Franco im März 2018 verantwortlich gewesen sein soll.

Dieser Fahrer, Fabricio Queiroz, soll ein hochrangiges Miliz-Mitglied sein. Ebenso wie Adriano Magalhães da Nóbrega, dessen Mutter und Schwester viele Jahre im Abgeordnetenbüro von Flavio Bolsonaro gearbeitet haben sollen. Nóbrega war Offizier der Sondereinheit BOPE, ehe er wegen Verbindungen zur Miliz unehrenhaft entlassen worden war. Bislang galt er, bis zur Festnahme zweier früherer Polizisten am Dienstag, als Hauptverdächtiger im Mordfall-Franco und befindet auf der Flucht.

Am Nachmittag des selben Tages veröffentlichte die Plattform UOL, eine Tochter des Verlagshauses Folha de Sao Paulo, eine Nachricht, wonach der Militär Didio Pereira de Campos, früherer Chef der Pressestelle, beauftragt worden sei eine neue Struktur aufzubauen, mit der die sozialen Netzwerke besser kontrolliert werden können. Die unter anderem per Twitter verbreitete Nachricht kommentierte Jair Bolsonaro knapp in einem Wort: "Fake News" Wieder lag Bolsonaro daneben. Das Portal hatte aus dem offiziellen Mitteilungsblatt der Regierung zitiert. Der zuständige Minister, Onyx Lorenzoni, hatte sie am selben Tag veröffentlicht.

Was Chico Otávio weiter berichtete, dürfte Bolsonaro auch nicht gefallen haben. Einer der am Dienstag festgenommenen Verdächtigen lebt in der selben Wohnanlage wie der Präsident früher und sein Sohn Carlos heute noch. Zudem, so berichtet die Zeitung Valor Economico, soll der vierte Sohn Bolsonaros, der 20-jährige Jair Renan, mit der Tochter des Verdächtigen eng befreundet gewesen sein. (APA, 14.3.2019)