Ein Mann und seine Autobahn: Der rumänische Geschäftsmann Stefan Mandachi hat mitten in der Landschaft ein Asphaltzeichen gesetzt, um gegen die schlechte Infrastruktur zu protestieren.

Foto: privat

Provinz Moldau, östliches Rumänien, an der Grenze zur Republik Moldau, 30 Jahre nach dem Fall des Kommunismus: In der ärmsten Region des Landes lässt ein lokaler Unternehmer mit privaten Mitteln einen Meter Autobahn bauen. Ja, das ist als Witz gedacht, aber vielmehr noch als Protest. In der Moldau gibt es nämlich bis heute keine einzige echte Autobahn.

Und das ist der eigentliche Witz, findet Stefan Mandachi, der mit seinem im Alleingang gebauten Autobahnmeter gegen das Versagen der Politik beim Ausbau der Infrastruktur protestieren will. Motiviert haben ihn "die Unverschämtheit der Regierenden und die schockierende Gleichgültigkeit der Rumänen", sagt er zum STANDARD. Was er sich erhofft? "Dass der Bau beginnt. Dringend. Dass die Rumänen solidarischer und entschlossener sind."

Feierliche Eröffnung

"Ich mache keine Politik, ich bin kein Aktivist, ich gehöre zu keiner Organisation oder Bewegung", betont Mandachi. Der 33-jährige Lokalunternehmer, dem die drittgrößte Fastfood-Restaurantkette in Rumänien sowie ein Hotel im nordmoldauischen Suceava gehören, hatte im Vorfeld drei Millionen Plakate mit der Aufschrift "Rumänien will Autobahnen" drucken und an Restaurantkunden verteilen lassen.

Sein Aufruf lautet: Die feierliche Eröffnung des Autobahnmeters am 15. März um 15 Uhr soll von möglichst vielen Menschen durch einen 15-minütigen Streik begleitet werden – Betriebe sollen die Arbeit einstellen, Autofahrer sollen anhalten und die Warnlichter einschalten. Und: "Jene, die auswandern wollen, sollen noch 15 Minuten warten", um so gegen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stillstand im Land anzukämpfen. Zahlreiche Unternehmen und Privatpersonen, darunter auch Auslandsrumänen, hätten ihre Teilnahme an der Aktion zugesagt.

"Ich habe diesen Protest erfunden, aber er gehört nicht mir, sondern jedem Rumänen, der jetzt aufwacht und wach bleiben wird, um auf die Ignoranz der Regierenden zu schauen", gibt sich Mandachi kämpferisch. Zu der Aktion befragt, erklärte der Transportminister Razvan Cuc zumindest, dass er deren Initiator "versteht".

800 Autobahnkilometer

Rumänien verfügt derzeit über wenig mehr als 800 Autobahnkilometer, priorisiert wurden die Routen in Richtung Westeuropa, die aber bis dato nicht durchgehend sind. Zum Vergleich: Österreichs Autobahnnetz ist mehr als doppelt so umfangreich, auf einem Drittel der Fläche Rumäniens. Etwas über 100 Kilometer der rumänischen Autobahnen stammen noch aus kommunistischen Zeiten. Nach der Wende ging 13 Jahre lang nichts weiter, erst 2013 begannen die Bauarbeiten, und auch diese waren stets von Verspätungen, Fehlern und Korruptionsskandalen überschattet. Das Versprechen, 2018 mit dem Bau der Moldau-Autobahn zu beginnen, wurde nicht eingehalten. Insgesamt wurden 2018 nur 60 Autobahnkilometer in Betrieb genommen, deren Fertigstellungstermine bereits endlos verschleppt worden waren.

Moldau ist unter den Regionen Rumäniens am stärksten von Armut betroffen; von den etwa 220.000 Rumänen, die 2017 ins Ausland zogen, war fast die Hälfte von hier – hinterlassen haben sie leere Dörfer, eine überalterte Bevölkerung und Generationen von Kindern, die ihre Eltern fast nur von Skype-Gesprächen kennen.

Dabei hat die Moldau wichtige Schätze zu bieten, die es wert wären, durch eine geeignete Infrastruktur erschlossen zu werden. Die regionale Hauptstadt Iasi ist eines der wichtigsten Universitäts- und Kulturzentren des Landes. Mandachi hat seinen Autobahnmeter mit Bedacht zwischen den Klöstern Putna und Voronet errichtet – Letzteres gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und ist dank der Fresken als "Sixtinische Kapelle Rumäniens" bekannt.

Kritik an der EU

"Wir Moldauer sind etwas verwirrt, warum die EU sich nicht um ihre Grenzregion kümmert", gibt Mandachi zu bedenken. "Rumäniens Potenzial ist enorm. Ich arbeite jetzt daran, eine Fleischfabrik in Bukarest zu eröffnen. Wenn ich als Moldauer es aufgrund der Logistik nicht wage, diese Fabrik in Suceava zu machen, wie geht es dann einem Briten, einem Franzosen, einem Österreicher, der hier investieren will?"

Mandachi hat nachgerechnet, dass die Autofahrten, die er auf Landstraßen statt auf Autobahnen zurücklegen musste, ihn eineinhalb Jahre seines Lebens gekostet haben. Noch empörender seien die Verluste von Menschenleben. Rumänien verzeichnet die höchste Sterberate infolge von Verkehrsunfällen: über 25.000 im Jahr 2017, doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. "Wir fahren am Rande eines Grabes", meint Mandachi und bezieht sich nicht allein auf die gefährlichen Straßen. (Laura Balomiri, 15.3.2019)