Der türkische Präsident Erdogan hat seine Frau und Gäste bereits durch den neuen Flughafen geführt. Auf dem Boden darf er auch selbst steuern.

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Istanbul – Dieses Mal scheint es ernst zu sein. Zumindest so ernst, dass Turkish Airlines vergangene Woche ihre Kunden per Eilnachricht informierte: Ab 6. April um zwei Uhr geht der Betrieb am Istanbuler Atatürk-Flughafen zu Ende. Zwölf Stunden später fliegen alle Maschinen vom neuen Großflughafen IST ab. In dieser Zeit will Turkish sämtliche Fahrzeuge und Maschinen vom alten zum neuen Flughafen übersiedeln.

Eröffnet wurde der Flughafen, zunächst noch unter dem Kürzel ISL, plangemäß am 29. Oktober 2018. "Soft Opening" nannten die Zuständigen es euphemistisch. Im Unterschied zum Berliner Flughafen BER wird in der Türkei lieber erst gemacht – und dann verbessert. So konnte die Regierung zumindest sicherstellen, dass sich während des Wahlkampfs niemand über eine nichtplangemäße Eröffnung lustig machen konnte. Dass nur eine Handvoll Flüge jeden Tag dort starteten und landeten (nach Ankara und Baku), sollte zunächst niemanden stören – eine "sanfte Eröffnung" eben.

Passagierrückgang

Denn dass die vollständige Inbetriebnahme noch Zeit in Anspruch nehmen würde, war da bereits klar. Ursprünglich nämlich sollte der Umzug am 31. Dezember vergangenen Jahres stattfinden, später dann wurde er auf den 3. März verschoben. Subunternehmer waren in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Zuletzt hatte starker Regen Teile der Fahrbahn und Zubringerstraßen unter Wasser gesetzt.

Der Bau hatte 2014 begonnen und sollte ursprünglich bereits 2017 fertiggestellt werden. Der neue Flughafen liegt 50 Kilometer nördlich des europäischen Teils der Stadt am Schwarzen Meer. Er misst 76,5 Millionen Quadratmeter, das sind etwa 10 000 Fußballfelder – damit ist er achtmal so groß wie der alte Istanbuler Atatürk-Airport. Was megaloman klingt, ist angesichts des Verkehrsaufkommens angemessen. Tatsächlich gilt der alte Atatürk-Flughafen als heillos überlastet. Allerdings verzeichnete Turkish Airlines zuletzt einen Passagierrückgang um fünf Prozent, und Reisewarnungen lassen leichte Zweifel am prognostizierten Anstieg aufgekommen.

200 Millionen Passagiere

Da er von einem Wohngebiet umgeben ist, kommt ein Ausbau von Atatürk nicht infrage. Auch der kleinere Flughafen Sabiha Göcken auf der asiatischen Seite arbeitet seit Jahren an seiner Kapazitätsgrenze. Immerhin rechnen die Betreiber – ein Konsortium aus fünf regierungsnahen Baufirmen mit Namen IGA (steht für Istanbul Grand Airport) – bis 2023, dem 100-jährigen Jubiläum der Republik, mit rund 100 Millionen Passagieren jährlich. So viele hat zurzeit der größte Flughafen der Welt, Atlanta in den USA. 2028 soll der Flughafen sogar eine Kapazität von 200 Millionen Passagieren pro Jahr haben. IST will vor allem Transitflughäfen wie Dubai Konkurrenz machen.

Probleme während der Bauzeit gab es reichlich. Naturschützer kritisierten das Abholzen von 650.000 Bäumen. Andere warnten davor, der Bau könne die Grundwasserversorgung Istanbuls beeinträchtigen. Zu Kritik war es außerdem gekommen, weil während der Bauzeit wohl dutzende Arbeiter ums Leben gekommen waren. Andere Quellen sprachen gar von 400 Todesopfern. Schuld daran sollen Überstunden und fehlende Sicherheitsvorkehrungen gewesen sein.

Lange Reise

Der Flughafen ist neben der dritten Bosporus-Brücke, dem Präsidentenpalast und dem geplanten Istanbul-Kanal eines der Prestigeprojekte von Präsident Tayyip Erdoğan. Gerade erst wurde zudem die größte Moschee der Türkei in Istanbul fertiggestellt.

Viele Istanbuler fragen sich in erster Linie, wie sie den neuen Großflughafen erreichen sollen. Zum alten, Atatürk-Flughafen braucht man vom zentralen Taksim-Platz etwa eine halbe Stunde. Die Anfahrtszeit zum neuen Flughafen ist ungleich länger und kann, solange es noch keine Bahnverbindung gibt, bis zu zwei Stunden dauern. Die Metro aber soll erst 2020 fertiggestellt werden. Insofern war jede Verschiebung des Umzugs auch mit Erleichterung verbunden. (Philipp Mattheis, 15.3.2019)