Die neue Widmungskategorie "geförderter Wohnbau" kann demnächst angewandt werden. Sie wird die Grundstückspreise senken, darin sind sich Beobachter einig. Wie viele Flächen dann aber noch auf den Markt kommen werden, ist fraglich.

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Wien hat eine neue Kategorie in der Flächenwidmung. Sie heißt "geförderter Wohnbau" und ist bereits beschlossen, tritt aber nach einer dreimonatigen Übergangsfrist erst am 21. März in Kraft. Diskutiert wird über sie innerhalb der Wiener Immobilienbranche aber schon seit mehr als einem halben Jahr überaus intensiv. Zahlreiche Diskussionsveranstaltungen zu dem Thema waren stets gut ge- oder sogar überbucht. Die neue Widmungskategorie "rockt", könnte man sagen.

Andererseits sorgt die Unsicherheit darüber, wie sie sich denn nun auswirken wird, auch für eine gewisse Lähmung der Branche. Winfried Kallinger, Bauträger und früher auch deren Sprecher in der Wirtschaftskammer, spricht gar von einer "Schockstarre", in der sich die Branche befinde.

Kallinger selbst begrüßt die neue Widmungskategorie ausdrücklich und ist damit so ziemlich der einzige gewerbliche Bauträger in Wien. Nach dem Beschluss im Gemeinderat im November versandte er eigens eine Pressemitteilung, um das "Aus für Spekulation bei den Grundstückskosten" zu bejubeln.

"Gegen Warnsignale agiert"

"Mir fehlt jedes Mitleid mit der Branche", sagt er nun, ein paar Wochen später, zum STANDARD. "Sie hat jahrelang gegen alle Warnsignale agiert." Denn noch nicht umgewidmetes Grünland sozusagen auf Verdacht zu kaufen, in der Hoffnung, dass es schon irgendwann umgewidmet werde, sei eben "eine hochspekulative Angelegenheit – und Spekulationen können schiefgehen".

Früher habe es als Faustregel bei einem Bauprojekt geheißen, das Verhältnis von Grund- zu Baukosten sollte maximal 1:5 betragen. "Heute aber sind wir schon bei 1:1,5 angelangt", sagt Kallinger und schüttelt den Kopf. Er selbst habe kürzlich mit Grundeigentümern in einem Flächenbezirk verhandelt; deren Preisvorstellungen seien schlicht "ein Wahnsinn".

Die neue Widmungskategorie, die im Regelfall bei größeren Umwidmungen einen Zwei-Drittel-Anteil für den geförderten Wohnbau bedeuten wird (zu dem in Wien auch gewerbliche Bauträger Zugang haben), werde wohl vermehrt zu Kooperationen zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern führen, glaubt Kallinger. Und dies werde die Qualität der Wohnbauten positiv beeinflussen.

Weniger Grundstücke

Denn wer gefördert baut, muss sich an die strengen Regeln der Wohnbauförderung halten; wer freifinanziert baut, "nur" an die weniger strenge Bauordnung (etwa was die Energieeffizienz betrifft). "Ein gewerblicher Bauträger wird aber dann ein Problem bekommen, wenn seine teureren Wohnungen verglichen mit den geförderten direkt daneben qualitativ minderwertig sind."

Die aktuelle Spitze der Wiener Immobilientreuhänder in der Wirtschaftskammer hat eine etwas andere Sichtweise als Kallinger auf die neue Widmungskategorie. Durch sie werde sich die Anzahl an Grundstücken, die auf den Markt kommen, reduzieren, meinten Fachgruppenobmann Michael Pisecky und Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich bei einem Pressegespräch Ende Jänner. "Die Grundstückspreise werden zwar gedrosselt – es braucht dann aber immer noch jemanden, der zu diesem Preis verkaufen möchte", sagte Pisecky.

Ulreich wies darauf hin, dass es bisher durchaus üblich gewesen sei, Grünland "auf Verdacht" zu kaufen, weil Vorbesprechungen mit Vertretern der Stadt darauf schließen ließen, dass die Liegenschaften umgewidmet werden. Die Besitzer solcher Liegenschaften hätten nach Beschluss der neuen Bauordnung "Kopfweh bekommen".

Lösungen gesucht

Wie der STANDARD erfuhr, hat sich die Stadt aber in den vergangenen Wochen bereits intensiv darum bemüht, mit Eigentümern solcher Liegenschaften Einigungen zu finden. Und in vielen Fällen habe man sich auch bereits auf eine Vorgangsweise geeinigt. Ein möglicher Kompromiss wäre in einem solchen Fall der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages zwischen Stadt und Entwickler, in dem dann etwa festgeschrieben wird, welche Leistungen der Entwickler für die Umwidmung im Detail aufbringen muss; für eine Reduktion des Zwei-Drittel-Anteils muss dann also beispielsweise ein besseres Grünraumkonzept vorgelegt werden.

Wie sich das Zusammenspiel der neuen Widmungskategorie und der "alten", seit 2014 möglichen städtebaulichen Verträge gestalten wird, ist ohnehin ein ziemlich fraglicher Punkt in der Branche. Einer der Hauptzwecke der Verträge war es bisher nämlich (neben dem Lukrieren von Beiträgen für Verkehrs- und soziale Infrastruktur), in Wohntürmen – als "Gegenleistung" für die Aufzonung, also eine höhere Bauklasse – auch einen bestimmten Anteil an Sozialwohnungen festzuschreiben.

Allerdings sei das oft nur der mediale Fokus gewesen, sagt Evelyn Ernst-Kirchmayr, Beraterin von Entwicklern in Sachen städtebaulicher Verträge. Viele weitere Maßnahmen seien in den bisher abgeschlossenen städtebaulichen Verträgen vereinbart worden. "Die Schaffung bzw. Finanzierung von Schul- und Kindergartenplätzen waren oft Inhalt der Verträge, ebenso wie Verkehrslösungen oder die Gestaltung von Uferzonen."

Stadtrechnungshof prüfte

Die neue Widmungskategorie greife hier viel zu kurz; nur mithilfe eines städtebaulichen Vertrages sei es beispielsweise möglich, "Einrichtungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder auch einen bestimmten gewünschten Wohnungsmix durchzusetzen", meint Ernst-Kirchmayr.

2015 bis 2017 schloss die Stadt bei zehn größeren Bauvorhaben insgesamt 13 städtebauliche Verträge mit den Entwicklern ab, der Stadtrechnungshof hat sie auf Geheiß der FPÖ untersucht und seine Ergebnisse im vergangenen Jänner veröffentlicht. Viel zu kritisieren fand er nicht. In Summe seien darin Leistungen bzw. Erfüllungsgarantien in Höhe von 38,50 Millionen Euro vereinbart worden, sowie zusätzliche Kostenbeiträge in Höhe von 2,70 Millionen Euro, heißt es in dem Prüfbericht.

Externe rechtliche Beratungsleistungen wurden von der Stadt bei fünf Verträgen in Anspruch genommen, die Kosten dafür beliefen sich auf rund 180.000 Euro. Etwas mehr als ein Drittel davon entfiel auf den städtebaulichen Vertrag für das MGC Plaza (jetzt "The Marks") in Wien-Erdberg, circa 50.000 Euro kostete die Rechtsberatung für den Vertrag zum Heumarkt-Projekt. (Martin Putschögl, 18.3.2019)