Nicht nur Raser sind im Visier der Polizei: Seit Mai können Kennzeichen ohne Verdacht erfasst werden.

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Die wenigsten Autofahrer werden es gemerkt haben. Doch sehr viele ihrer Autofahrten werden registriert und gespeichert, zumindest jene auf Autobahnen. Seit Ende Mai des Vorjahres ist die Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes in Kraft, Kennzeichen werden seither ohne konkreten Anlass erfasst und gespeichert.

Im vergangenen Jahr – also seit Mai – wurden rund 2,9 Millionen Kennzeichen erfasst. Das ergibt die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Die Erfolgsquote bei dem Vorgehen ist erstaunlich gering: 181 verifizierte Treffer konnten erzielt werden.

Eingriff in die Privatsphäre

Nikolaus Scherak, Verfassungssprecher der Neos, findet das höchst bedenklich. "Es findet eine anlasslose Massenüberwachung aller Autofahrer statt", sagt er im STANDARD-Gespräch. Das sei ein massiver Schritt Richtung Überwachungsstaat. Denn damit könnten auch Bewegungsprofile über jeden einzelnen Fahrer erstellt werden, was einen "unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre" darstelle.

Konkret funktioniert das so: Kameras erfassen ein Autokennzeichen. Dieses wird in der Kennzeichenerfassungsdatenbank für zwei Wochen gespeichert. Dieser Datensatz wird ständig mit der Fahndungsdatenbank abgeglichen. Aus den 2,87 Millionen erfassten Kennzeichen, hier sind natürlich auch Mehrfacherfassungen möglich, gab es 28.111 Übereinstimmungen mit der Fahndungsdatenbank. Die Differenz zu den tatsächlichen 181 Treffern ergibt sich daraus, dass in den meisten Fällen das Kennzeichen nicht genau fotografiert wurde.

Drittelbeschwerde beim Höchstgerichtshof eingebracht

Neben den Kennzeichen dürfen bei der neuen Verkehrsüberwachung auch Marke, Typ und Farbe sowie Informationen zum Lenker erfasst werden. Die Polizei hat Zugriff auf Überwachungskameras von öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein Versorgungsauftrag zukommt. Außerdem will das Innenministerium auch zehn stationäre und 20 mobile Kennzeichenerfassungssysteme ankaufen.

Scherak missfällt nicht nur der hohe Aufwand, der betrieben werde, er bezweifelt auch, dass das Vorgehen der türkis-blauen Regierung verfassungskonform ist. Daher haben die Nationalratsabgeordneten von SPÖ und Neos gemeinsam eine Drittelbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, der das Gesetz überprüfen soll.

Scharf kritisiert wird in der Beschwerde, dass das Sicherheitspolizeigesetz nun erlaubt, Daten "unabhängig von der Suche nach einer bestimmten Person oder Sache zu verarbeiten". Das führe dazu, dass "Daten ohne jeden Anlass, sondern eben nur auf Vorrat ermittelt werden". Dass eine Vorratsdatenspeicherung nicht im Einklang mit der Verfassung steht, stellte das Höchstgericht bereits 2014 fest. Wenn aber alle Autofahrer unter Generalverdacht gestellt werden, wie der pinke Abgeordnete es formuliert, sei das eine Vorratsdatenspeicherung light. Die gesammelten Daten könnten dann auch für eine Fahndung verwendet werden, die zum Zeitpunkt der Erfassung noch nicht einmal ausgeschrieben sei.

Überwachungswahnsinn

Das ist aber nicht der einzige Punkt, der laut Neos und SPÖ verfassungswidrig ist. Ihre Kritik richtet sich auch an den Bundestrojaner, eine Überwachungssoftware, die für den Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste wie Skype oder Whatsapp auf Handys und Computern verdächtiger Personen installiert wird. Der Bundestrojaner soll ab dem nächsten Jahr zum Einsatz kommen und beim Verdacht auf Straftaten, die mit mehr als zehn Jahren Haft bedroht sind, angewendet werden.

Neos-Mandatar Scherak fordert die Regierung auf, den "Überwachungswahnsinn" zu stoppen. Die Höchstrichter werden sich voraussichtlich noch heuer des Themas annehmen. (Marie-Theres Egyed, 15.3.2019)