Der 18. Protestsamstag der "Gelbwesten" war der bisher gewalttätigste. Die Pariser Prachtavenue Champs-Elysées glich am Abend einem einzigen Schlachtfeld. Bushäuschen und Kioske waren zerstört, Schaufenster reihenweise eingeschlagen. Insgesamt 80 Läden allein an dieser Staße meldeten Schäden und dazu meist auch Plünderungen. Das Nobelrestaurant Fouquet's – wo Expräsident Nicolas Sarkozy 2007 seinen Wahlsieg mit Millionärsfreunden gefeiert hatte – wurde als "Symbol der Oligarchie" verwüstet, wie ein Sprayspruch festhielt. Die Holzverschalungen, mit denen die Besitzer das Lokal geschützt hatten, hielten dem Ansturm der Randalierer nicht stand. Louis Vuitton und andere Luxusboutiqen halten sich dagegen seit den Festtagen an jedem Wochenende geradezu verbarrikadiert.

Wie rücksichtslos der Mob vorging, zeigte sich bei einem Wohnhaus, in dem eine Bankagentur im Erdgeschoss in Flammen aufging. Nur dank des raschen Einsatzes der Feuerwehr konnte eine Frau mit einem Kleinkind im zweiten Stockwerk gerettet werden; elf Personen erlitten in dem Wohnhaus trotzdem Verletzungen. Auch Polizisten wurden zusammengeschlagen, fahrende Polizeiwagen mit Pflastersteinen verfolgt.

Ein Haus nahe der Champs-Elysées wurde Raub der Flammen.
Foto: Geoffroy VAN DER HASSELT / AFP

Trump höhnt aus der Ferne

Quartierbewohner erklärten, sie hätten Angst um ihr eigenes Leben. Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo drückte den Unmut der Hauptstadtbewohner aus, indem sie meinte, sie hätte "le ras-le-bol", zu Deutsch: Die Nase voll. US-Präsident Donald Trump twitterte spöttisch, dem Klimaabkommen von Paris gehe es angesichts der Krawalle "offenbar nicht so gut". Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bat ihn darauf, "unser Leben als Nation" allein führen zu können. Dass es auch friedlich geht, illustrierte zeitgleich eine Pariser Großdemo von 35.000 Klimagegnern.

In ganz Frankreich wurden am Samstag 32.000 Gelbwesten oder Sympathisanten gezählt, davon einige tausend in Paris. Diese Zahl liegt im Schnitt der letzten Samstage, aber deutlich unter den ersten Aufläufen mit fast 300.000 Teilnehmern. Der harte Kern der Krawallmacher wurde in Paris auf 1.500 Personen geschätzt. Innenminister Christophe Castaner nannte sie nicht mehr "casseurs" (Schläger), sondern wegen der Brandstiftung auch "assassins" (Mörder). Unter den 240 Verhafteten sind Ultras des Schwarzen Blocks und rechtsextreme "Identitäre". Festgenommen wurde auch ein Belgier. Augenzeugen berichteten, einzelne Vermummte hätten Deutsch gesprochen.

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Nicht alle Barrikaden hielten dem Ansturm stand.
Foto: AP Photo/Rafael Yaghobzadeh

Aufmerksamkeit durch Gewalt

Friedliche "gilets jaunes" distanzierten sich von den Gewaltexzessen. Andere verhehlten nicht, dass die spektakulären Bilder eine mediale Aufmerksamkeit garantierten, die der abgeflauten Protestbewegung sonst abgehen würde. "Anfangs machten uns die Jungs des Schwarzen Blocks selber Angst, doch heute erachten wir sie als ein Plus", meinte ein Gelbwestenvertreter zur Zeitung "Le Monde": "Sie bringen die Dinge voran, während wir zu pazifistisch sind."

Vor dem Umzug hatte der prominente Hardliner Eric Drouet über Facebook zu einem "großen Tag" aufgerufen. "Wir müssen uns Gehör verschaffen", forderte er. Ein Communique stellte Staatschef Macron zudem ein "Ultimatum", die Forderungen der Gelbwesten bis am Samstag zu erfüllen.

Macron opferte Skiurlaub

Premierminister Edouard Philippe erklärte bei einem Besuch der verwüsteten Champs-Elysées, wer solche Taten rechtfertige oder ermutige, mache sich zum "Komplizen". Macron brach ein verlängertes Skiwochenende in den Pyrenäen ab und reiste noch am Samstag nach Paris zurück. Die konservative Opposition hielt ihm vor, er habe sich trotz aller Anzeichen überrumpeln lassen. Der Präsident kündigte nach einem Krisentreffen im Innenministerium "starke Entscheidungen" an.

Das klingt reichlich hilflos: Eben erst hat das Parlament mit den Stimmen der Macron-Partei "La République en marche" eine Einschränkung des Demonstrationsrechtes beschlossen, das zum Beispiel individuelle Demoverbote ermöglicht. Die Linke hat den Verfassungshof angerufen, um die Rechtmäßigkeit des Gesetzes prüfen zu lassen. (Stefan Brändle aus Paris, 17.3.2019)