Kein Schnickschnack, aber klare Aussagen. Das ist die Linie, mit der sich die Grünen zum Start des EU-Wahlkampfs präsentieren. Bei ihrem Bundeskongress war eine gewisse Erleichterung darüber zu spüren, dass die Partei wieder so ist, wie sie die grau gewordenen Ur-Grünen in den 1980er-Jahren aufgebaut haben.

Es gibt ein zentrales Thema für den Wahlkampf: Der Klimawandel ist in den Medien präsent, zigtausende junge Menschen gehen dagegen auf die Straße – und es gibt nur eine Partei, die die Lippenbekenntnisse der Politiker auf Glaubwürdigkeit abklopfen kann. Damit sind die Grünen wieder dort angelangt, wo sie nach den Auseinandersetzungen um die Kraftwerke Zwentendorf und Hainburg begonnen haben – aber sie haben mehr gesellschaftlichen Rückenwind.

Charme der Basis

Dass sie infolge der Wahlschlappe von 2017 bettelarm sind, wie sie es seinerzeit ja auch waren, muss kein Nachteil sein. Denn erstens erhöht es die Glaubwürdigkeit einer Ökopartei, wenn sie mit dem Charme der Basis und der umweltpolitischen Radikalität ihrer Spitzenleute wahlkämpft. Und zweitens schützt es vor den Verirrungen früherer Wohlfühlwahlkämpfe, in denen sich die Grünen als Lifestylepartei für die Bobos der Wiener Innenbezirke präsentiert haben.

Diese Klientel ist nämlich stark wechselbereit. Zur Erinnerung ein Beispiel: In Wien-Neubau, wo die Grünen noch 2013 mit fast einem Drittel der Stimmen die stärkste Partei waren, sind ihnen bei der letzten Nationalratswahl 20 Prozentpunkte abhandengekommen, weil sich die Anhängerschaft zu Kern und Kurz verlaufen hat. Da sollte doch ein bisschen etwas zurückzuholen sein, gerade bei einer Europawahl.

Sich auf das Thema Klimaschutz zu stürzen muss nicht heißen, dass man andere Themen völlig vernachlässigt. Niemand kann und wird den Grünen ihren Ruf als Menschenrechtspartei streitig machen.

So ist es ehrenvoll, sich für Migrantinnen und Migranten einzusetzen (und die Grünen werden das wohl weiterhin tun). Nur: Besonders schöne Blumentöpfe kann man damit nicht gewinnen. Es ist eine Frage des Anstands, am Thema dranzubleiben; es ist eine Frage der politischen Klugheit, das nicht an eine größere Glocke als notwendig zu hängen.

Zukunft des Sozialstaates in Europa

Dasselbe gilt für all die anderen Themen, deren sich die Grünen seinerzeit als Parlamentspartei mit Fleiß angenommen haben: Jetzt sind sie nicht mehr im Nationalrat vertreten – und das kann man im Kontext der Europawahl durchaus als Vorteil sehen. Da muss man sich im Wahlkampf nicht mit Details von Sozialgesetzen herumschlagen (diese mühsame Arbeit bleibt den Landesorganisationen ohnehin nicht erspart), da kann man sich auf die große Perspektive, auf die Zukunft des Sozialstaats in Europa, konzentrieren.

Die Grünen können unbeschwert von Tagespolitik die rechten Umtriebe rund um die FPÖ angreifen – solche Schaukämpfe mit den "Schmissigen" (© Werner Kogler) erwartet die Basis. Aber als Ökopartei werden die Grünen am ehesten dort punkten können, wo sie den Regierenden deren Untätigkeit beim Klimaschutz unter die Nase reiben können. Starköchin Sarah Wiener, die als Zugeständnis an die Bobofraktion auf die EU-Wahlliste geholt wurde, sagt es so: Man sollte nicht so vom Klimawandel reden, als wäre der etwas, das man beliebig ein bisschen so oder ein bisschen so wandeln könne. Das dürften auch die Bobos verstehen. (Conrad Seidl, 17.3.2019)