Multifunktionär Wöginger: Tiroler Arbeitnehmer fühlen sich vom ÖAAB-Obmann nicht mehr vertreten.

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Innsbruck/Wien – Mit seinem Vorschlag, die AK-Wahlen an einem Wahlsonntag abzuhalten, hat ÖAAB-Obmann August Wöginger scharfe Kritik aus Tirol geerntet. Laut dem Tiroler Arbeiterkammer-Chef Erwin Zangerl sind Wögingers Funktionen als ÖVP-Klubobmann und -Arbeitnehmerchef nicht mehr länger vereinbar, berichtete die "Tiroler Tageszeitung" in ihrer Montagsausgabe.

Tirols AAB-Landesobfrau und Landesrätin Beate Palfrader habe in einer Woche ein Gespräch mit Wöginger. In einigen zentralen Fragen gebe es "massive Auffassungsunterschiede", das werde sie dem AAB-Bundesobmann auch mitteilten, erklärte Palfrader: "Ich erwarte mir, dass die Rechte der Arbeitnehmer mehr in den Fokus seiner Arbeit treten."

Palfrader will wissen, wo Wöginger steht

Sie habe das Gefühl, dass die Arbeitnehmer in seiner Arbeit oft in den Hintergrund treten, sagte Palfrader.

"Ich verstehe zwar, dass die Funktion des Klubobmanns eine überbündische Arbeit verlangt, aber man muss auch wissen, wo man steht", betonte die ABB-Landesobfrau. Sie sehe sich den Arbeitnehmern verpflichtet, weshalb sie kommenden Montag ein Vieaugengespräch mit Wöginger suchen werden. "Es ist wichtig, Differenzen auszuräumen, und es ist wichtig, das face to face zu tun", so Palfrader.

Zangerl sieht Wöginger "auf falscher Seite"

Angesichts der Wahlbeteiligung von teilweise unter 40 Prozent hielt Wöginger eine "komplette Überarbeitung" des AK-Wahlsystems für angebracht. Für Zangerl scheint der ÖAAB-Obmann jedoch auf der falschen Seite zu stehen, "jedenfalls nicht auf jener der Arbeitnehmer", sagte Zangerl. "Ein ÖAAB-Obmann, der seit Monaten gegen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitet und nur die Aufträge der Bundesregierung abarbeitet, ist nicht tragbar", erklärte Zangerl.

Die Art und Weise, wie über die Interessen der Beschäftigten drübergefahren und wie getäuscht werde, sei ein "unwürdiges politisches Schauspiel", polterte Zangerl. "Vom Zwölfstundenarbeitstag, der Zerschlagung der Gebietskrankenkassen, der brutalen Entmachtung der Arbeitnehmervertreter in den Kassen bis hin zur gerechten Steuerreform – ÖAAB-Obmann August Wöginger ist überall dort dafür, wenn es gegen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Vertretung geht", ließ der AK-Chef seinen "Parteifreund" wissen.

Auch von sozialdemokratischer Seite kam Kritik an Wögingers Vorschlag. Mit diesem habe sich ÖAAB-Obmann Wöginger als "echter Feind der Beschäftigten geoutet", sagte Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft Vida: "Der sogenannte Arbeitnehmervertreter und ÖVP-Klubobmann agiert einmal mehr als verlängerter Arm der Wirtschaft und tanzt nach deren Pfeife. Der neueste Auftrag lautet offenbar: Zerstört die Interessensvertretung der Arbeitnehmer."

"Verlängerrter Arm der Bundesregierung"

Der schwarze Arbeitnehmerfunktionär Zangerl kritisiert Wöginger ebenfalls als verlängerten Arm der türkis-blauen Bundesregierung, die "alles zerstören will, was ihr im Weg steht. Und das dürfte nun einmal die Interessenvertretung der Arbeitnehmer sein."

Zangerl hatte bereits im Vorfeld der Tiroler AK-Wahl Kritik an der Bundesregierung geübt. Er hat bei der Wahl, die in Tirol Ende Jänner stattfand, die absolute Mehrheit der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, die in Listengemeinschaft mit dem Tiroler AAB antrat, trotz Verlusten gehalten. Zangerls Liste landete bei 61,4 Prozent der Stimmen (2014: 63,95) und stellt 45 Mandate. Vor zehn Tagen wurde Zangerl von der Tiroler AK-Vollversammlung einstimmig als Präsident wiedergewählt.

Zangerl hofft auf Platters Unterstützung

Auch die Wirtschaftskammer habe mit Wahlbeteiligungen unter 40 Prozent zu kämpfen. "Aber da hört man nichts", meinte der AK-Chef. "Wir sind der Regierung ein Dorn im Auge", so Zangerl, der sich mehr Unterstützung von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) wünsche: "Aber wegen der ÖVP-Wahlergebnisse ist Platter ebenfalls schmähstad."

Zangerl sieht auch die AAB-Länderchefs gefordert. Palfrader ortet auch unter den ÖVP-Arbeitnehmervertretern anderer Bundesländer eine ähnliche Haltung, wie sie sie selbst vertrete. Aber es gebe noch keine Absprache beziehungsweise keinen Rundruf unter den Bundesländern. Außerdem möchte sie dem Gespräch kommende Woche mit Wöginger nicht vorgreifen, fügte die Landesrätin hinzu.

Tiroler ÖVP-Abgeordnete attackieren Zangerl und Palfrader

Zangerl und Palfrader schlug nach ihrer Kritik Unmut aus den Reihen der Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten entgegen. "Wiederholt den Klubobmann öffentlich anzugreifen ist nicht hilfreich", äußerte etwa der Sprecher der Tiroler Abgeordneten im Nationalrat, Hermann Gahr, der APA sein Unverständnis.

Ihm gehe es um einen "ordentlichen Stil und Umgang" miteinander, daher halte er eine solche Vorgangsweise für nicht richtig, so der Bauernbündler. Wenn man unzufrieden ist, sollte man dies "intern äußern". Die Tiroler Mandatare stünden "geschlossen" hinter Wöginger, dieser leiste hervorragende Arbeit, meinte Gahr. Er könne auch "kein Missverhältnis" feststellen hinsichtlich des Einsatzes für die Arbeitnehmer auf der einen und für die Wirtschaft auf der anderen Seite.

"Ich weise die Kritik an Wöginger zurück. Alle ÖVP-Abgeordneten stehen geschlossen hinter dem Klubobmann", assistierte Abgeordneter und Seilbahnchef Franz Hörl gegenüber der APA. Dieser habe einen "beinharten Job". Wöginger arbeite "rund um die Uhr", lobte Hörl, und fügte dahingehend in Bezug auf Palfrader und Zangerl hinzu: "Dass die Kritik an ihm ausgerechnet von einer Seite kommt, die es sich damit traditionell leichter macht, finde ich bezeichnend."

Auch der Vorsitzende der Christgewerkschafter (FCG) Norbert Schnedl stärkte Wöginger den Rücken. Wöginger sei ein "verlässlicher Partner mit Handschlagqualität", erklärte Schnedl. "Als ÖAAB-Obmann bringt Wöginger die Interessen der unselbstständig Erwerbstätigen ein und sorgt als Klubobmann der ÖVP dafür, dass diese auch berücksichtigt werden, ohne die berechtigten Anliegen der Wirtschaft und der Bauern zu vernachlässigen", fand Schnedl lobende Worte. Der ÖGB-Vizepräsident sah jedenfalls "keine Unvereinbarkeit zwischen Wögingers Funktionen als ÖAAB-Obmann und Klubobmann der Volkspartei".

ÖAAB-Zentrale betont Geschlossenheit

In der ÖAAB-Zentrale in Wien hat es den erwähnten Rundruf offenbar gegeben: Sieben ÖAAB-Landesorganisationen – namentlich jene aus dem Burgenland, aus Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark und Wien – sprächen sich dezidiert für die von Wöginger gemachten Vorschläge aus.

"Wir im ÖAAB stehen hinter unserem Bundesobmann August Wöginger und unterstützen seinen Vorschlag, die Legitimation der Arbeiterkammer durch eine höhere Wahlbeteiligung zu stärken", betont ÖAAB-Generalsekretär Christoph Zarits zu den haltlosen Anwürfen sowie zu Rücktrittsaufforderungen in Richtung des ÖAAB-Bundesobmanns.

Auch die Kritik von Tirols ÖAAB-Chefin Beate Palfrader sei unverständlich – so habe sie bereits seit dem Jahr 2017 nicht mehr an ÖAAB-Bundesvorstandssitzungen teilgenommen, zudem sei der Termin zwischen ihr und Wöginger in der kommenden Woche auf Initiative des ÖAAB-Bundesobmanns vereinbart worden. Die Angriffe seien substanzlos, denn "schließlich wurde August Wöginger mit 100 Prozent zum ÖAAB-Bundesobmann gewählt und damit eindrucksvoll legitimiert", sagt Zarits. (red, APA, 18.3.2019)