Wien – Das neue Konsulargesetz verdankt seine breite Bekanntheit vor allem einem Umstand: dass es rückkehrwillige IS-Kämpfer von seinen Regelungen ausnehmen soll. Wie berichtet, wurde dem Gesetzesentwurf, mit dem unter anderem eine EU-Richtlinie umgesetzt wird und das dem Nationalrat in den kommenden Wochen zum Beschluss vorgelegt werden soll, auf Betreiben des Innen- und Außenministeriums ein Zusatzpassus beigefügt.
Dieser soll österreichische Konsularbehörden befähigen, die Vertretung österreichischer Staatsbürger, die sich in Syrien oder dem Irak der islamistischen Terrormiliz angeschlossen haben, einzuschränken oder abzulehnen. Also ihnen etwa "bei Festnahme oder Haft" oder auch "bei einem schweren Unfall oder einer schweren Erkrankung" die Unterstützung zu versagen.
Andere mitbetroffen?
Wie jedoch – fragt sich Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (Örak) – soll garantiert werden, dass der künftige Ausschluss vom konsularischen Schutz nicht auch andere Personengruppen trifft? Etwa im Ausland in Schwierigkeiten geratene Angehörige von Österreichern aus einem Drittstaat oder anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte, die aufgrund von Völkerrechtsverträgen neben österreichischen Staatsbürgern vom konsularischen Schutz mitumfasst sind?
Wolffs Skepsis wird durch die, wie er sagt, "flexible Formulierung" der Zusatzbestimmung genährt, die Gründe und Kriterien für den Ausschluss oder Einschränkung aufzählt – klarerweise ohne die gemeinte Personengruppe, IS-Kämpfer, zu nennen.
"Öffentliche Sicherheit und Ordnung"
Die Kriterien reichen vom "Vorliegen von Gefahr in Verzug" und von der "Gefährdung von Leib und Leben der betroffenen Person" über die "Bereitschaft der betroffenen Person zur Unterstützung der Konsularbehörden" und der "Gefährdung der Sicherheit" des dortigen Personals bis zur "Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit".
Vor allem Letzteres biete Interpretationsspielraum, sagt Wolff: "Als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt zum Beispiel auch ein Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht".Fragen werfen laut den Rechtsanwälten auch weitere Punkte in dem neuen Gesetz auf, mit dem Konsularangelegenheiten den Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes unterworfen werden sollen – dies jedoch mit Ausnahmen.
Akteneinsicht nur "persönlich"
Zum Beispiel was die Bestimmungen zur Akteneinsicht betrifft. Diese soll "nur persönlich" möglich sein – und zwar auch dann, wenn es sich um elektronisch geführte Akten handelt. In den Erläuterungen des Gesetzesvorschlags wird dies mit den "beschränkten personellen Kapazitäten der Vertretungsbehörden" begründet. Und mit der "Tatsache, dass bei der Übermittlung insbesondere elektronischer Dokumente aus dem Ausland das Risiko besteht, dass diese Dokumente von Dritten mitgelesen werden können".
In Zeiten der Digitalisierung sei derlei "anachronistisch", heißt es beim Rechtsanwaltskammertag. In dessen Stellungnahme bezüglich des Konsulargesetzes im Begutachtungsverfahren ist von zu erwartenden "enormen Kosten" für die Rechtsvertreter und ihre Klienten die Rede.
Teure Reisen
Um Akteneinsicht zu erlangen, müssten Anwälte künftig wohl teure Reisen zu den Botschaften unternehmen oder aber lokale Rechtsanwälte engagieren. So "prinzipiell begrüßenswert" die Anwendung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes auf Konsularangelegenheiten auch sei: "Die geplanten Ausnahmen sollten überdacht werden", sagt Wolff. (Irene Brickner, 19.3.2019)