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Die weite Welt sprachlich auf fassliche Größe gebracht.

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Unter den zahllosen löblichen Eigenschaften, die sich unserer Bundesregierung nachsagen lassen, sticht ihre sprachschöpferische Kraft besonders hervor. Ihre maßgeblichen Vertreter werden nicht müde, Wörtern, die man für unbedenklich gehalten hatte, die Unschuld zu rauben.

Niemand, den in Österreich plötzlich heftiges Fernweh anwandelt, wird jemals wieder guten Gewissens von einem Ausreisezentrum sprechen wollen. Und erst der Bundeskanzler: Indem Sebastian Kurz das grobe Klotzen der Polemik rundheraus in eine Kleckerei verkleinert hat und diese "Anpatzen" nennt, hat er sich mindestens als Schüler Wittgensteins deklariert. Über die Sprache herrscht, wer sie eigensinnig gebraucht. Die Frage lautet dabei höchstens, wo einander Sinn- und Sittenwidrigkeit berühren, um miteinander einvernehmlich Sprachschändung zu treiben.

Um germanischen Ton bemüht

Eine besonders schmeichelnde Würdigung ist dem Bundeskanzler für seine Bemühungen nunmehr durch die Zeitschrift "Deutsche Sprachwelt" zuteilgeworden. Die Leser dieser mustergültig um Bewahrung eines germanischen Tons bemühten Gazette haben Kurz mit weniger als einem Drittel der Stimmen (29,7 Prozent) zum "Sprachwahrer des Jahres 2018" gewählt. Gleich im Windschatten dahinter konnte sich übrigens unser Bundesministerium für Landesverteidigung platzieren.

Der Begründung kann man wahrscheinlich besser folgen, wenn man sich erst ungläubig die Augen gerieben hat. Kurz verstehe es, "mit wohlgesetzten Worten auch schwierige politische Zusammenhänge verständlich zu machen". Er verschaffe sich "ohne Geschrei" Gehör und wende sich gegen Verrohungstendenzen. Er habe "Deutschklassen" durchgesetzt und mache die Höhe von Sozialleistungen für Asylberechtigte von deren Deutschkenntnissen abhängig.

Die Braut des Wehrmanns

So viel Umsicht wird in Anbetracht der vom Bund gekürzten Deutschkurse bald die schönsten Blüten hervorbringen: "Kanzler, du bist unser fackin' Goethe!" Die Landesverteidiger haben ihre Silbermedaille hingegen für die konsequente Ächtung des "Binnen-Is" in ihren Schriftstücken erhalten. Merkt es euch, liebe Frauen: Die einzige und wahre Braut des Wehrmanns ist seine Flinte. Und die liest und spricht nicht, die knallt nur. (Ronald Pohl, 19.3.2019)