Georg Winter erforscht die fehlgeleitete Genregulation bei der Krebsentstehung.

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Bei vielen Krebsarten ist eine fehlgeleitete Genregulation für das ungehemmte Wachstum von Tumorzellen verantwortlich. Die genregulatorischen Schaltkreise in der Zelle wären also optimale Angriffspunkte für Medikamente. Mit den zurzeit verfügbaren Wirkstoffen ist es aber noch nicht möglich, die Aktivität der verschiedenen an der Krebsentstehung beteiligten Proteine zu unterdrücken.

Einer Forschergruppe an der Harvard Medical School in Boston ist vor einigen Jahren jedoch ein wissenschaftlicher Durchbruch gelungen, der auf eine wirksame Therapie hoffen lässt. Mit dabei war auch der Molekularbiologe Georg Winter, der damals als Postdoc drei Jahre lang an der renommierten Institution forschte.

"Wir haben ein Verfahren entwickelt, das genregulierende Proteine nicht nur chemisch hemmt, sondern sie sogar abbauen kann", berichtet der gebürtige Waldviertler. "Das spielt deshalb eine so große Rolle, weil diese sogenannten Transkriptionsfaktoren mit Chemikalien extrem schwer zu hemmen sind."

Für seine Bostoner Forschung wurde der 33-Jährige, der mittlerweile wieder in Österreich lebt und eine Forschungsgruppe am CeMM (Research Center for Molecular Medicine) leitet, Ende letzten Jahres mit dem Elisabeth-Lutz-Preis der Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.

Krebszellen eliminieren

"Ausgangspunkt unserer Entwicklung ist eines der verrufensten Arzneimittel überhaupt: Contergan", berichtet Georg Winter. Das Beruhigungsmittel wurde von 1957 bis 1961 auch Schwangeren zur Bekämpfung der Morgenübelkeit verschrieben – mit schrecklichen Folgen: Die Babys kamen mit schweren Fehlbildungen oder ganz ohne Gliedmaßen zur Welt.

"In den 1990er-Jahren fand man allerdings heraus, dass von Contergan abgewandelte Wirkstoffe Krebszellen eliminieren können", so der Molekularbiologe. Wie das tatsächlich funktioniert, erkannte man erst 20 Jahre später. Man entdeckte, dass diese Wirkstoffe an Proteine in der Zelle binden, die den Abbau anderer Proteine steuern. "Auf diese Weise werden die Proteine markiert, sodass sie von der 'zellulären Müllabfuhr' erkannt und gezielt abgebaut werden können."

Das brachte die Forscher auf die Idee, Moleküle mit zwei Enden zu entwickeln. An deren einem Ende sollte das den Abbau steuernde Protein binden, am anderen die abzubauenden Moleküle. "Damit haben wir eine Strategie entwickelt, die verschiedene Proteine abbauen kann, die bei unterschiedlichen Krebsarten mitspielen." Dieser innovative Ansatz wird inzwischen von mehreren Pharmafirmen bei der Entwicklung von Krebsmedikamente angewendet.

In seiner aktuellen Arbeit am CeMM entwickeln Georg Winter und sein Team die neue Methode weiter, "wobei wir uns auch für Resistenzmechanismen interessieren." Die Grundlage seiner wissenschaftlichen Karriere wurde übrigens an der FH Campus Wien mit dem Bachelorstudium Molekulare Biotechnologie gelegt.

Fürs Diplom ging es dann weiter ans Institut für Molekulare Pathologie (IMP), promoviert wurde am CeMM. Ein dichtes Arbeitsprogramm, das kaum Zeit für Hobbys lässt. Zumal man demnächst im Hause Winter erstmals Nachwuchs erwartet. (Doris Griesser, 24.3.2019)