Auf "Core", ihrer neuen CD, ist reichlich Qualität zu hören. Komponieren sei allerdings eine Frage der vorhandenen Zeit, nicht unbedingt eine der Inspiration, sagt Elfi Aichinger.

Foto: Anette Friedel

Es ist nun schon eine bedauernswerte Weile her, dass Elfi Aichinger intensiv als Sängerin und Komponistin wahrzunehmen war. Es gab Zeiten, da schrieb sie für die Wiener Festwochen symphonische Dichtungen und für Hörgänge, das einstige Moderne-Festival des Konzerthauses, Stücke wie Hundsturm und Kirchenwiese. Auch beim Klangforum Wien oder in der Bigband Nouvelle Cuisine war Aichinger als Solistin zu erleben. Auch konnte ihre Vielschichtigkeit in Bands wie Jubilo Elf und Ames aufleuchten.

Selbst wenn Aichinger, die an der Bruckner-Uni und an der Wiener Musikhochschule unterrichtet, nie gänzlich abgetaucht war: Core ist so etwas wie ein auf CD gebanntes substanzvolles Lebenszeichen, eine Reise durch emotionale Tiefenschichten (über den Weg stilistischer Buntheit).

Mit drei Streichern (Geigerin Joanna Lewis, Cellistin Melissa Coleman und Bassist Peter Herbert) verweist die Besetzung einerseits auf klassisch grundierte Musikfarben. Es bleibt jedoch Raum für improvisatorische Unmittelbarkeit, für instrumentale Verdichtung und eine vokale Erzählkunst, die Seelenzustände freilegt. Core ist insofern auch als Sammlung von Miniaturopern zu betrachten, die sich im Umfeld des Third Stream bewegen.

Offener Begriff Jazz

Der jeweils dominante Kompositionsstil entstünde "auch durch den Willen des Stückes selbst", findet Aichinger, die plant, verstärkt für Musiktheater zu schreiben. Jazz sei – weil ein mittlerweile sehr weitgefasster Begriff – insgesamt durchaus aber von Bedeutung.

Aichinger hat eine Zeitlang ja in New York gelebt, Jazz-Größen kennengelernt, die befruchtend wirkten. Auch Don Byron und Dewey Redman waren dabei. Die Kollegen inspirierten sie einst, sich der "Freiheit durch Improvisation" anzunähern. Als Jugendliche hatte sie sich "in der Klassik durchaus auch eingesperrt" gefühlt. Auch hiesige Größen wie Fritz Pauer, Uli Scherer, Harry Pepl und auch Werner Pirchner halfen auszubrechen. Schließlich ginge es darum, Erfahrenes künstlerisch umzusetzen.

Schwerwiegend und malerisch

Existenzielles fließt bei Core mit ein, wobei es nicht immer Eigenerlebtes sein muss. Ein Stück wie Cyra-Cyrus mit seiner gebrochenen Noblesse schildert Depression "innerhalb einer aufgespaltenen Person". Peculiar Pearl schrieb Aichinger "für eine Freundin, die es nicht mehr ertragen hat ..." Die Melancholie auch solch schwerwiegender Stücke wird umgarnt von malerischer Atmosphäre, die Aichingers Stimme eindringlich verdichtet.

Die Stücke entstünden nicht unbedingt aus Schaffensdrang. Es sei bei ihrer "Multifunktionalität – vor allem als Alleinerziehende – ein enormes Zeitmanagement nötig. Durch den seit 15 Jahren null vorhandenen Vater der Kinder war und bin ich für alles zuständig." Somit schwingt bei Core auch die Freude mit, "endlich wieder eine CD herausgebracht" zu haben. (Ljubisa Tosic, 19.3.2019)