Google befindet sich jedoch nicht als einziger Plattformriese im Visier der Kartellbehörden.

Illustration: Davor Markovic

In letzter Zeit häufen sich kartellrechtliche Verfahren gegen die großen Player auf den Plattformmärkten: Google, Amazon und Facebook. Das Eis in dieser Hinsicht gebrochen haben die Entscheidungen der Europäischen Kommission gegen Google in Sachen Google Shopping und Google Android mit Rekordgeldbußen von 2,43 und 4,3 Milliarden Euro.

Doch das ist noch lange nicht das Ende: Einerseits hat Google gegen diese Entscheidungen Rechtsmittel eingelegt, andererseits geht die Kommission noch auf anderer Ebene gegen Google vor. Ein Verfahren zu Google Ad Sense befindet sich bereits im Abschluss, und kürzlich wurden Untersuchungen von Google-Services in Bereichen wie Reise- oder Jobportalen angekündigt.

Google befindet sich jedoch nicht als einziger Plattformriese im Visier der Kartellbehörden. Es sei hier etwa die kürzliche Entscheidung des deutschen Bundeskartellamts (BKartA) gegen Facebook genannt, in der ein Verbot der Zusammenführung von bestimmten Nutzerdaten ausgesprochen wurde.

Bevorzugte Eigenprodukte

Auch Aktivitäten von Amazon werden von der EU-Kommission untersucht, wobei noch kein formelles Verfahren eröffnet wurde. Dafür aber gibt es beim BKartA bereits ein Verfahren gegen Amazon, und auch die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Untersuchungsgegenstand sind jeweils Beschwerden von Händlern über missbräuchliche Konditionen und Geschäftspraktiken sowie angebliche Diskriminierung gegenüber Eigenprodukten von Amazon.

Was haben nun diese Verfahren gemeinsam, und wo muss man differenzieren? Zu beachten ist hier, dass für einen derartigen Kartellrechtsverstoß zwei Kriterien erfüllt sein müssen: erhebliche Marktmacht und ihr Missbrauch.

Wo beginnt der Missbrauch?

Für Ersteres – die Feststellung der Marktmacht – bedarf es einer konkreten Marktdefinition basierend auf der Tätigkeit der jeweiligen Unternehmen. Während sich Google Shopping auf den Markt allgemeiner Suchmaschinen – zu unterscheiden von jenem der speziellen Suchmaschinen wie Yelp – bezog, betrifft Facebook den Markt für soziale Netzwerke und Amazon jenen für Handelsplattformen.

Obwohl dies durchaus innovative Märkte sind, die spezifischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, haben die Kartellbehörden die Marktanteile relativ konventionell anhand von Website-Aufrufen und Nutzerzugriffen berechnet. Diese sind natürlich für die Internetgiganten entsprechend hoch.

Geschäftsmodell der Plattformen

Zur Frage, ob ein Missbrauch der auf diese Weise ermittelten Marktbeherrschung vorliegt, ist dann je nach konkreter Handlung und je nach Geschäftsmodell der Plattformen zu unterscheiden. Bei Google Shopping sei diese angeblich durch Bevorzugung der eigenen Preisvergleichswebsite gegenüber denjenigen von Dritten erfolgt. Amazon wird ebenfalls Ungleichbehandlung vorgeworfen, namentlich Diskriminierung von Händlern auf dem Amazon Marketplace gegenüber dem Verkauf von Amazons eigenen Produkten.

In diesem Kontext wurde auch eine missbräuchliche Verwendung von Händlerdaten moniert, die Amazon angeblich dazu nutze, Eigenprodukte auf dem Markt besser zu platzieren und Händler von der Plattform zu drängen. Eine zentrale Rolle spielt Datenmissbrauch auch im Fall Facebook. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, sogenannte Off-Daten, die gar nicht auf der Plattform selbst, sondern über Links von Drittseiten oder anderen Facebook-Apps wie Whatsapp eingeholt werden, für Werbung zu verwenden.

Differenzierte Kritik

So unterschiedlich diese Fälle im Detail sind, so differenziert ist auch die Kritik am jeweiligen Ansatz der Wettbewerbsbehörden. Dabei lassen sich die Diskriminierungsvorwürfe, die Gegenstand von Google Shopping und Amazon sind, noch relativ leicht in das übliche Instrumentarium des Kartellrechts einordnen – dies unbeschadet noch nicht abschließend entschiedener Rechtsfragen wie etwaiger möglicher Rechtfertigungen für dieses Verhalten.

Der aktuell interessanteste Aspekt ist jedoch jener, der auch teilweise bei Amazon, aber insbesondere bei Facebook geltend gemacht wurde, und zwar inwiefern die Verwendung von Daten durch Plattformen tatsächlich kartellrechtswidrigen Missbrauch darstellen kann. Das Gegenargument ist nämlich, dass Datenschutz Aufgabe der Datenschutzbehörden sei und nicht über das Kartellrecht nochmals eingefordert werden könne.

Dass dem deutschen Kartellamt diese Problematik bewusst ist, zeigt auch die differenzierte Begründung für sein Tätigwerden in diesem Fall: Es argumentiert, dass es sich hier nämlich um Verletzungen von Datenschutzbestimmungen handle, die auch wettbewerbliche Relevanz hätten. Das BKartA geht daher – richtigerweise – davon aus, dass nicht jeder Gesetzesverstoß durch einen Marktbeherrscher auch kartellrechtlich relevant ist.

Noch viele Hürden

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass das Kartellrecht in Bezug auf große Onlineplattformen nun Zähne zeigt. Wettbewerbsbehörden müssen hier aber noch viele Hürden nehmen: Die Marktdefinition, die Frage der Diskriminierung über Plattformen, aber auch die Abgrenzung zwischen Datenschutz und Kartellrecht werden von den Rechtsmittelinstanzen noch eingehend erörtert werden.

Bis zu einer etwaigen endgültigen Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof können viele Jahre vergehen. Was immer dann das Ergebnis sein wird, diese dynamischen Märkte werden sich inzwischen stark weiterentwickelt haben. Das stellt ein zusätzliches Problem solcher Kartellverfahren dar.

Facebook passt Nutzungsbedingungen an

Aber die durch die Verfahren ausgelöste mediale Aufmerksamkeit und Diskussion über die betreffenden Verhaltensweisen der Internetgiganten erzeugt dennoch schon jetzt nicht unerheblichen geschäftlichen Druck auf diese, wie etwa die Anpassung der Facebook-Nutzungsbedingungen hinsichtlich mehr Transparenz zeigt.

Anpassungen müssen aber nicht unbedingt zugunsten der Konsumenten erfolgen. Google kündigte bereits an, sein bisher kostenloses Android-Betriebssystem für europäische Abnehmer auf ein Bezahlmodell umzustellen. Es bleibt in den genannten Fällen dennoch zu hoffen, dass ein Gleichgewicht zwischen Innovationsanreizen und Konsumentenfreundlichkeit erhalten bleibt oder sich in Zukunft neu ergibt. (Raoul Hoffer, Leo Alexander Lehr, Wirtschaft & Recht Journal, 30.3.2019)

Foto: Franz Helmreich, Binder Grösswang
Foto: Franz Helmreich, Binder Grösswang

Raoul Hoffer ist Partner, Leo Alexander Lehr Rechtsanwaltsanwärter bei Binder Grösswang Rechtsanwälte. Die Kanzlei beschäftigt sich intensiv mit neuen Anforderungen für das Recht im digitalen Kontext.