Seit Monaten eine Ruine: Im Juni wurde mit dem Abriss des ehemaligen jüdischen Badehauses in der Leopoldstadt begonnen.

Foto: Markus Baumgartner

Von Baugittern eingezäunt ist seit einem Dreivierteljahr das, was vom Gebäude in der Floßgasse 14 im zweiten Wiener Gemeindebezirk übrigblieb. Im Zuge des Abrissbooms Ende Juni des vergangenen Jahres sollte auch dieses Haus vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesnovelle, die den Abriss von vor 1945 errichteten Häusern deutlich erschwert, dem Erdboden gleichgemacht werden. Der Abriss konnte gestoppt werden. Doch nun, fast neun Monate später, liegt der endgültige Bescheid der Baupolizei vor. Bis Ende April wird von der Ruine nichts mehr übrig sein.

Jüdisches Leben

Shoshana Duizend-Jensen, Historikerin am Wiener Stadt- und Landesarchiv, sagt im Gespräch mit dem STANDARD: "Sogar im Novemberpogrom kam es zu keiner Inbrandsetzung, nun soll diese Institution aber zerstört werden." Der Grund für ihre Empörung: In der Floßgasse 14 befand sich einst eine jüdische Badeanstalt, hebräisch Mikweh. Ab 1908 war die Israelitische Kultusgemeinde Eigentümerin des vom Architekten Oskar Marmorek errichteten Hauses. Wöchentlich besuchten hunderte Jüdinnen und Juden die Bäder, die wegen der strengen Reinheitsvorschriften im Judentum streng nach Geschlechtern getrennt waren. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es zu einem weiteren Ansteigen der Besucher, da sämtliche öffentliche Badeanlagen und Schwimmbäder für Juden verboten waren.

In den oberen Stockwerken wohnten auch Juden. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes dokumentiert die Ermordung von acht Personen während der NS-Zeit, die hier einst gelebt haben. Der Badebetrieb lief auch in der Nachkriegszeit weiter. 1959 kam es zu einem Anschlag von Neonazis, die die Fassade mit Hakenkreuzen beschmierten. 1973 wurde das Gebäude verkauft. In den letzten Jahren wurde es als Lager und Werkstatt genutzt.

Die Baupolizei bestätigt dem STANDARD, dass der Abrissbescheid im Jänner ausgestellt wurde. Bis Ende April müsse nun mit den Abbrucharbeiten begonnen werden. Das Gebäude unterliege nicht dem Denkmalschutz und befinde sich auch in keiner Schutzzone, sagt ein Sprecher.

"Mangelnde Denkmalqualität"

Das Bundesdenkmalamt hat den Fall geprüft. In einer Stellungnahme heißt es, das Objekt sei durch Umbaumaßnahmen bereits so stark verändert worden, dass dadurch die im Denkmalschutzgesetz geforderte geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung als "nicht ausreichend erfüllt" zu beurteilen war. Eine Unterschutzstellung konnte aufgrund "mangelnder Denkmalqualitäten" nicht vorgenommen werden, so ein Sprecher.

"Was mich dabei so bewegt, ist, dass es auch 2019 noch immer passiert, dass wichtige Zeugnisse jüdischen Lebens ohne vorherige Erinnerung und ohne Bewusstsein der Geschichte zerstört werden", sagt Historikerin Duizend-Jensen, die zuletzt eine Ausstellung über verschwundene jüdische Zentren kuratiert hat.

Die Kultusgemeinde erinnert im Gespräch mit dem STANDARD daran, dass sie nicht mehr Eigentümerin sei und daher in diesem Fall nichts tun könne. Raimund Fastenbauer, Generalsekretär für jüdische Angelegenheiten, fordert jedoch die Anbringung einer Erinnerungstafel, auf der Informationen zur Vergangenheit des Gebäudes zu lesen sein sollen. Auch bei einem Neubau wünscht er sich die Anbringung einer solchen Tafel.

Was der Eigentümer, ein Kunsthändler, mit dem Grundstück vorhat, ist bis dato nicht bekannt. (Rosa Winkler-Hermaden, 20.3.2019)