Gestellte Szene.

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Er arbeitet seit 25 Jahren im Dopingkontroll-Labor Seibersdorf, ist immer wieder Mitglied diverser Expertenkommissionen in der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) und beschäftigt sich mit neuesten analytischen Nachweismethoden für Sportlern verbotenen Substanzen. Als "Dopingjäger" sieht sich Dr. Günter Gmeiner aber dennoch nicht, wie er im Gespräch mit der APA darlegt.

Der Leiter des Labors äußert sich unter anderem zur neuen Erkenntnis des sehr kurzfristigen Eigenblutdopings und gibt zu, dass der Fokus der Forschung mitunter vielleicht zu sehr an der Praxis einer Methode als der Verschleierung dieser Methode liegt. 150 bis 200 positive Fälle pro Jahr, freilich für weltweit eingereichte Proben, werden allein in Seibersdorf ermittelt. Große Verschiebungen bei den laut Gmeiner "üblichen verdächtigen" Sportarten gibt es nicht.

Frage: Ist es auch für Sie etwas Neues gewesen, dass Eigenblutdoping wenige Stunden vor dem Wettkampf angewandt wird?

Günter Gmeiner: An sich ja. Wir sind eher davon ausgegangen, dass die Blutprobe im Bereich von wenigen Tagen vor dem Wettkampf reinfundiert wird. Die Tatsache, dass Sportler das unter anderem auch Stunden vor dem Wettkampf machen, das war doch in gewisser Weise neu.

Frage: Wurde so etwas denn nie ins Kalkül gezogen, wenn es biochemisch etwas bringt, dass es auch gemacht wird?

Gmeiner: Leistungssteigernd, denke ich, wird das schon sein. Es ist natürlich mit einer gewissen Gefahr verbunden. Weil man nie weiß, wie verträgt man eine Blutprobe, die kurz davor reinfundiert wurde. Deswegen ist aus Sicherheitsgründen ein größerer Abstand vom Wettkampf das, wovon wir ausgegangen sind.

Frage: Sie meinen aus gesundheitlichen Sicherheitsgründen?

Gmeiner: Man weiß ja nie, was hier passiert. Es gibt auch Äußerungen von Sportlern, bei Blutdoping nehmen sie zuerst ein kleineres Volumen und schauen, wie es ihnen damit geht, bevor die gesamte Blutkonserve reinfundiert wird. Das ist auch eine Art gesundheitliche Sicherheitsmaßnahme.

Frage: Ist das etwas, das Sie erforschen müssen?

Gmeiner: Wenn man jetzt zum Beispiel in Betracht zieht, wie Eigenblut nachgewiesen wird – und es gibt ja doch schon 140, 150 sanktionierte Fälle, die hier Eigenblutdoping aufgrund des Blutpasses allein als Basis haben: Wenn man die Geschichte fünf bis zehn Jahre zurückgeht, steigen ja eigentlich die Fälle von Jahr zu Jahr, die aufgrund des Blutpasses hier Blutmanipulationen, vor allem auch Eigenblutdoping, als Basis einer Sanktionierung haben. Wenn man zurückgeht und dieses System des Nachweises in Betracht zieht, da ist es auch wichtig, dass die entsprechende Blutprobe zum richtigen Zeitpunkt genommen wird – weil dieser Blutpass indiziert sprunghafte Änderungen in den Blutparametern. Wenn Sie heute eine Blutkonserve reinfundieren, haben Sie eine sprunghafte Änderung der Anzahl roten Blutkörperchen in ihrem Gesamtblut. Das sehen Sie, wenn die Blutprobe einen Tag vor einer Reinfundierung gezogen wird. Man muss die Blutprobe danach ziehen beziehungsweise auch zeitlich zeitnah zu einer Blutabnahme. Es ist also weniger eine Frage der Analytik, sondern des richtigen Testzeitpunkts.

Frage: Ist es eigentlich auch eine Frage der richtigen Ausrüstung? Man hört ja, teilweise seien die Kontrollorgane vor Ort gar nicht so gut ausgerüstet, wie sie sein müssten?

Gmeiner: Das stimmt für alles andere außer für das Blutdoping. Basis für die Identifizierung eines blutdopenden Athleten ist sein Blutprofil, und dieses wird weltweit in den Dopinglaboratorien mit demselben Gerät bestimmt. Dieses Gerät wird auch in Krankenhäusern verwendet. Da geht es nicht um Nachweisgrenzen, sondern um Blutparameter wie Hämoglobin, Hämatokrit oder Retikulozyten, die bestimmt werden, und man schaut sich in der zeitlichen Dimension an, wann sich diese bei einem Athleten sprunghaft ändern. Insofern ist das Messgerät standardisiert, das ist nicht das Problem. Hier kommt es sehr stark auf den richtigen Probenahmezeitpunkt an. Ich kann mir schon sehr gut vorstellen, dass Athleten das natürlich wissen und versuchen, diese Aktionen, nämlich Blutabnahme und Blutrefundierung, zeitlich so zu setzen, dass sie möglichst sicher sind, dass kein Kontrollor sie zu diesem Zeitpunkt kontrollieren wird. Und aus diesem Grund ist diese Information neu.

Frage: Und inwiefern ist es für Sie neu, dass man nach dem Bewerb "ja nur genug Salzwasser" trinken müsse?

Gmeiner: Also dass man durch Flüssigkeit gewisse Blutparameter verändern kann, haben wir gewusst. Dass es hier Spezial-Know-how von Sportlern beziehungsweise ihren Betreuern gibt, wie man eine Salzlösung so isotonisch herstellt, dass diese Blut-Parameter-Adjustierung möglichst effizient und schnell passiert, da fehlt uns natürlich vom Labor her eine gewisse Erfahrung, weil wir machen ja kein Blutdoping.

Frage: Das impliziert: Man müsste fast selbst blutdopen, um es auch besser nachweisen zu können ...

Gmeiner: Da haben Sie recht. Natürlich gibt es auch Forschungsprojekte, die versuchen, diesen Prozess des Eigenblutdopings nachzuvollziehen, um hier auf Parameter draufzukommen. Zum Beispiel Lagerveränderungen in irgendwelchen Plastikbeuteln, aber der Fokus der Forschung ist halt immer: Wie kann ich eine Praxis nachweisen? Und vielleicht zu wenig: Wie kann ich die Verschleierung einer Praxis nachweisen?

Frage: Wie lange kann man die Weichmacher der Plastikbeutel nachweisen?

Gmeiner: Auch hier ist es nicht die Frage wie lange – das liegt im Bereich von vielen Stunden bis vielleicht zwei Tage nach der Applikation. Wesentlich sind zwei Dinge: So ein Plastikbeutel ist nicht die einzige Quelle von Weichmachern, die in unseren Körper hineinkommen. Letztendlich sind diese Weichmacher in sehr vielen anderen Produkten, auch teilweise im Essen drinnen. Und wir wissen auch, dass Athleten versuchen, auf Materialen umzusteigen, die frei von Weichmachern sind. Weichmacher werden seit Jahren in jeder Probe gemessen, dienen aber nur als Indikatoren eines möglichen Blutdopings. Hat man zum Beispiel in einem Blutpassfall auffällige Veränderungen drinnen, dann haben wir noch eine zusätzliche Information, die den ganzen Fall stärken kann. Das ist zum Beispiel Weichmacher im Harn.

Frage: Gibt es aktuell Wada-Forschungsaufträge, was neue Substanzen betrifft?

Gmeiner: Ja, sicher. Da punkten wir eigentlich Gott sei Dank sehr häufig und haben eine sehr hohe Trefferquote von Forschungsprojekten, die wir bei der Wada einreichen, wo man uns eine Förderung seitens der Wada zukommen lässt.

Frage: Gibt es denn eine neue, nachweisbare Substanz?

Gmeiner: Das ist das, was gefördert wird, aber da möchte ich mich nicht auslassen, weil ich im Sinne eines guten Antidoping nicht sagen will: Aufpassen, schaut auf das und das.

Frage: Ist es für Sie persönlich eigentlich frustrierend, dass man manchmal als Beobachter das Gefühl hat, die Dopingjäger sind immer zwei Schritte hinter den Dopern nach?

Gmeiner: Ich muss sagen, ich sehe mich nicht als Dopingjäger, und frustrierend ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Wir sehen uns quasi als Serviceprovider auf einem ausgesprochen spezialisierten Gebiet. Auch meine Kollegen im Labor sind alle davon überzeugt, dass es wichtig und wertvoll ist, dass wir eben für einen dopingfreien Sport versuchen, von wissenschaftlicher, methodischer und analytischer Seite das Beste rauszuholen, was möglich ist. Wir sehen das Ganze immer auch neutral. Wir stellen unser Know-how allen, die im Kampf gegen Doping beteiligt sind, zur Verfügung.

Frage: Haben denn solche Enthüllungen wie in Seefeld auch ihr Gutes?

Gmeiner: Es ist schon sehr viel erreicht. So Vorfälle, wie sie in Seefeld waren, sind auf der einen Seite ganz wichtig, aber sie zeigen natürlich auch, dass den Sportlern nicht mehr sehr viele Optionen bleiben. Pro Jahr werden von den Labors weltweit, ich kenne die Zahl für 2017, 2.700 positive Fälle berichtet. Vielleicht werden manche Sportler doppelt erwischt, aber das ist doch eine relevante Dimension.

Frage: Das Netz wird also enger?

Gmeiner: Es gibt gewisse Löcher, die wirklich von analytischer Seite schon geschlossen sind. Darum versuchen ja Sportler auszuweichen in Richtung schwer detektierbare Dopingpraktiken. Hier auch schon wieder in Zeiträume, die auch dann wieder kritisch werden können – also ganz knapp vor dem Wettkampf mit relativ hohem Risiko. Die Räume werden enger und enger, aber natürlich habe ich nicht die romantische Vorstellung, dass irgendwann das Doping ganz weg sein wird. Auch nicht durch nichtanalytische Strategien.

Frage: Warum ist eigentlich das Zuführen von Sauerstoff – wie zuletzt im Fall des Alpinläufers Stefan Luiz – von der Wada nicht verboten?

Gmeiner: Diese Wada-Verbotsliste wird von einem Komitee gemacht, in dem ich auch einmal Mitglied war. Ich weiß, wie die Sachen ablaufen. Da trifft sich dreimal im Jahr ein Expertengremium aus verschiedensten Disziplinen, und die bewerten nach drei Kriterien: leistungssteigernd, gegen den Geist des Sports und gesundheitsschädigend. Wobei natürlich der Leistungssteigerung ein besonderes Gewicht zukommt. Diese Praxis wurde halt nicht so eingestuft, dass es zumindest zwei der drei Kriterien erfüllt. (APA, 20.3.2019)