München – Der mehr als sieben Jahre gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachte Nürnberger Gustl Mollath hat gute Chancen auf eine hohe Entschädigung. Zu Beginn eines von Mollath erzwungenen Zivilprozesses gegen den Freistaat Bayern nannte das Landgericht München I am Mittwoch Schadensersatzansprüche "plausibel".

Wie zum Prozessauftakt bekannt wurde, hatte das Gericht bereits im Vorfeld einen Vergleich über 600.000 Euro vorgeschlagen – diesen lehnte das Land Bayern aber ab.

1,8 Millionen Euro

Der 2013 nach 90-monatiger Zwangsunterbringung freigekommene, mittlerweile 62-jährige Mollath fordert in dem Verfahren vom Freistaat Bayern 1,8 Millionen Euro zuzüglich einer Entschädigung für mögliche gesundheitliche Spätfolgen seiner Unterbringung. Bayern hatte ihm 70.000 Euro bezahlt und sieht keine weiteren Ansprüche.

Der Fall Mollaths sorgte jahrelang für Aufsehen, er galt als Deutschlands bekanntester Psychiatriepatient. Mollath war im Jahr 2006 nach einem Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen seine ehemalige Frau wegen angeblicher Wahnvorstellungen zwangseingewiesen worden. Er kam erst frei, nachdem bekannt geworden war, dass die zur Begründung der Wahnvorstellungen genommenen Vorwürfe von illegalen Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau für eine Großbank im Kern zutreffend waren.

Europäische Menschenrechtskonvention

Der Vorsitzende Richter des Zivilprozesses sagte, das Urteil 2006 sei durch eine "Vielzahl von Verfahrensfehlern" zustande gekommen. Hätte Mollath schon damals Revision eingelegt, wäre das Urteil aufgehoben worden. Mollath hatte allerdings über seinen Pflichtverteidiger nur eine Rüge vorgebracht, was nicht ausreichte. Mollath begründete dies am Mittwoch auch damit, in der Psychiatrie keine Möglichkeiten gehabt zu haben, seine Rechte einzufordern.

Seine Klage hatte Mollath mit Amtshaftungsansprüchen gegen Richter, Staatsanwälte und Beamte begründet. Das Gericht erklärte, für Amtshaftungsansprüche müsse eine Rechtsbeugung nachgewiesen werden, was in diesem Fall schwierig sei. Allerdings greife bei Mollath Artikel fünf der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach diesem stehe ihm Schadensersatz zu.

600.000 Euro zu wenig

Diese rechtliche Bewertung des Gerichts war im Vorfeld nicht bekannt. Der Rechtsvertreter des Freistaats sagte, er müsse die Einschätzung des Gerichts nun prüfen. Allerdings nannte der Rechtsvertreter den ursprünglichen Vorschlag des Gerichts über eine Zahlung von 600.000 Euro weiter "eigentlich nicht vertretbar". Das Land sei aber offen, zu einer gütlichen Einigung zu gelangen.

Mollaths Rechtsanwalt Hildebrecht Braun sagte der Nachrichtenagentur AFP, er halte die 600.000 Euro für zu niedrig. Braun kündigte an, nun wie vom Gericht gefordert den Mollath entstandenen Schaden genauer nachzuweisen. Dieser macht unter anderem einen Verdienstausfall geltend, außerdem habe seine Exfrau während seiner Unterbringung das gemeinsame Haus unter Wert verkauft. Es sei zudem ein Ersatzteillager im Wert von 50.000 Euro aus der von ihm geführten Werkstatt zur Oldtimerrestaurierung verschwunden.

Kein Termin für Entscheidung

Das Verfahren wird nun zunächst ohne öffentliche Verhandlung weiter geführt. Beide Seiten können schriftlich Stellung nehmen. Ein Termin für eine Entscheidung steht noch nicht fest.

Wie Mollath sagte, verfolgen ihn die Jahre der Unterbringung bis heute. In der Psychiatrie sei er jahrelang jede Nacht im Stundentakt geweckt worden. Dies belaste ihn bis heute. "Ich habe siebeneinhalb Jahre nicht richtig geschlafen", sagte der 62-Jährige. Er "wache jede Nacht schweißgebadet auf".

Mollath sagte, er habe bis heute weder einen festen Beruf noch einen festen Wohnsitz. Er wohne bei Freunden, die ihn aufnehmen. Meistens halte er sich dabei außerhalb Bayerns auf. (APA, 20.3.2019)