Oxford/Wien – Der österreichische Neurowissenschafter Gero Miesenböck geht mit seinem Forschungsteam schon seit Jahren der Frage nach, warum jedes Lebewesen, das ein Gehirn hat, schlafen muss. Die Wissenschafter widmen sich dabei zum einen dem "Schlafhomöostase" genannten Mechanismus, der es einem Organismus ermöglicht zu messen, wie lange er bereits wach ist, sowie zum anderen jenen Prozessen, die Mensch und Tier in den Schlafzustand versetzen, wenn ein bestimmtes Limit überschritten wird.

An Mini-Gehirnen studiert

Ein Gehirn muss dafür auch nicht so komplex sein wie das unsere – es genügt auch das winzige Pendant, das eine Fruchtfliege der in Medizin und Biologie häufig als Modellorganismus herangezogenen Gattung Drosophila im Kopf hat. Bereits in früheren Arbeiten zeigten die Wissenschafter, dass es bei Fruchtfliegen einen speziellen Satz von lediglich rund zwei Dutzend Neuronen zur Schlafkontrolle gibt.

Diese Gehirnzellen kommen auch bei anderen Tieren vor und man nimmt an, dass sie auch beim Menschen existieren, berichtet die Uni Oxford, an der Miesenböck seit 2007 arbeitet. Diese Neuronen wirken wie ein Ein-Aus-Schalter: Sind sie elektrisch aktiv, schläft die Fliege ein, senden sie keine elektrischen Impulse, ist die Fliege wach.

"Shaker" und "Sandman"

Entscheidend dabei ist, wie viel Strom durch zwei Ionenkanäle der Schlaf-induzierenden Neuronen fließt. Die beiden Ionenkanäle werden von den Wissenschaftern "Shaker" und "Sandman" genannt. Im Schlaf fließt der meiste Strom durch den Ionenkanal "Shaker".

Miesenböcks Team konnte zeigen, dass ein an den "Shaker"-Kanal gebundenes Molekül (ein NADPH genannter "Kofaktor") darüber entscheidet, ob durch diesen Kanal Strom fließt oder nicht. Dieses Molekül kann in zwei chemischen Zuständen existieren: in einer reduzierten oder einer oxidierten Form. "Während des Wachseins wird der Kofaktor durch den oxidativen Stress, dem die Neuronen ausgesetzt sind, zunehmend oxidiert", so Miesenböck.

Der Anteil der oxidierten Form ist also ein molekulares Maß für die Müdigkeit. Der durch den "Shaker"-Kanal fließende Strom hängt von diesem Maß ab und lässt – wenn ein gewisser Schwellenwert erreicht ist – die Fliege einschlafen. Während des Schlafs wird dann das oxidierte Molekül durch die reduzierte Form ausgetauscht, bis der Organismus erwacht.

Neues Konzept für Schlafmittel

Den Wissenschaftern gelang es, den chemischen Zustand von NADPH durch Licht in die oxidierte Form zu verwandeln. Damit konnten sie die Fliegen einfach mit einem Lichtblitz in den Schlaf versetzen. Das könnte ein neuer Ansatz zur Behandlung von Schlafstörungen sein. Könnte man durch einen Wirkstoff das NADPH auf die gleiche Weise verändern wie durch den Lichtblitz, wäre das eine neue Art von Schlafmittel. (APA, red, 21. 3. 2019)