Die Suspendierung der Fidesz-Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei samt der Einsetzung eines "Weisenrats" zur Prüfung der Politik der Partei und ihres Chefs Viktor Orbán ist ein kluger Schachzug – zumindest aus Sicht der Führung der EVP-Parteienfamilie.

Sie verschafft sich eine Atempause, kann nun sagen, dass sie Kritik ernst nimmt und gehandelt hat. Eine Lösung ist es freilich nicht. Denn das Problem Orbán bleibt. Die Frage, wie man mit ihm umgehen will, wurde nur in die Zukunft verschoben.

Aber der EVP-Spitze ist es in einer turbulenten Sitzung in Brüssel gelungen, eine Spaltung zu verhindern. Mehrere Parteien hatten vehement und ohne Wenn und Aber den sofortigen Ausschluss von Orbáns Partei gefordert. Der Ton war rau. Dieser sei kein Christdemokrat mehr, so wie er in Sachen Migration vorgehe, wegen der ständigen antisemitischen Untertöne, der Art, wie er die EU attackiere. Andere forderten, gerade jetzt müsse man versuchen, "Brücken zu bauen". So argumentierte etwa die in der EVP mächtige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Dass letztere Position sich fast einstimmig durchsetzte, ist vor allem dem EU-Wahlkampf geschuldet. EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber, der den Suspendierungsvorschlag eingebracht hatte, um in Wahrheit einen Ausschluss der Fidesz zu verhindern, sagte sehr deutlich, was Sache ist: "Das Dossier ist vom Tisch. Ich konzentriere mich jetzt ganz auf den Wahlkampf." Will heißen: Warten wir jetzt auf den Bericht der "drei Weisen" – nach der Wahl.

Ob das funktioniert, hat ganz Orbán in der Hand. Er kann mit der Lösung gut leben, nicht nur, weil einer der Weisen, Wolfgang Schüssel, bereits kundgetan hat, dass er von einem Ausschluss der Fidesz wenig hält. Der ungarische Premier bleibt in der EVP und im Rampenlicht, weitere Attacken seiner Gegner auf die EVP und ihn selbst sind sicher, und dieses "Spiel" genießt er am meisten. (Thomas Mayer, 20.3.2019)