Weronika Gesicka aus Polen zeigt im Keller der Postsparkasse unheimlich manipulierte Szenen wie diese Familie.

Foto: Weronika Gesicka, Courtesy Weronika Gesicka und Jednostka Gallery, Warszawa

Mathie Asselin heftet sich mit Fotos, Zeitungsausschnitten und Videos in der Postsparkasse an die Spuren des Glyphosat-Herstellers Monsanto, Fünf Jahre lang hat ihn die Arbeit beschäftigt.

Foto: Mathieu Asselin, Monsanto Book

Mohamed Bourouissa, "Nous sommes halles" (2002) in der Schau "Urbane Zonen" in der Postsparkasse.

Foto: ADAGP Mohamed Bourouissa 2019, Courtesy: Mohamed Bourouissa, kamel mennour, Paris/London und Blum & Poe, Los Angeles/NewYork/Tokyo

Johanna Sameks Video "Am Ende der Gasse die Treppe hinauf" (2018) ist in der Schau "A Fork in the Road" im Tiefparterre der Postsparkasse zu sehen.

Foto: Johanna Samek

Der Wiener Gemeindebau in all seiner Pracht ist eine Ikone des sozialen Wohnbaus. In all seiner vielfältigen Pracht, vom kitschigen skulpturalen Fassadendetail bis zur Tiefgarage, von einsamen Sonnenblumen im Innenhof bis hin zu dramatische Schatten werfenden Balkonen, ist er gerade in einer anderen Wiener Architekturikone präsent: Otto Wagners Postsparkasse.

Sie ist heuer und erstmals (bis 6.4.) Festivalzentrale der Foto Wien. Das bisher als "Eyes On" bekannte Event hat im Vorfeld Wienerinnen und Wiener aufgerufen, ihre Fotos von Gemeindebauten einzuschicken. 1300 kamen, eines aus jedem Bezirk wird gezeigt. Einige spielen gekonnt mit Formen, Perspektiven, Anschnitten, Schatten.

Bildbesprechungen

"Wir alle verwenden Fotografie täglich, posten Fotos auch gleich vom_Handy, aber das Wissen um die Fotografie und das Bild ist bei breiterem Publikum trotzdem beschränkt", beschreibt Bettina Leidl den Ansatz der einmonatigen Veranstaltung. Die Chefin des Kunst Haus Wien richtet die Foto Wien aus. Zu den Ausstellungen in der Postsparkasse und bei 130 Partnern wie Galerien, Offspaces und Ateliers, gehört auch ein Vermittlungsprogramm mit Studiobesuchen und Bildbesprechungen zu einem Foto des Tages.

Dafür bietet sich in der Postsparkasse, wo bis Ende Februar noch Banker der Bawag in den Büros logierten, etwa eine der Arbeiten von Lisa Großkopf an. Sie hat eine Art Freizeitzentrum in einem stillgelegten rumänischen Salzbergwerk fotografiert. Tischtennistisch und Basketballkorb wirken vor den Felsen reichlich surreal, sind aber authentisch. Wegen der hohen Salzkonzentration in der Luft gilt der Ort als gesund. Ein gewitzter Gegenpol zur Büroatmosphäre, der zugleich zum Grau der Aktenschränke passt.

Eine Entdeckung ist auch Weronika Gęsickas Beitrag zur Schau in Bodyfiction im Tiefparterre. Sie verfälscht höchst irritierend Aufnahmen von Familienszenen. Die inszenierten Idyllen schauen aus wie aus den 1960er-Jahren und eröffnen hinter lächelnden Masken gruppendynamische Abgründe.

Private Alben angezapft

Die drei großen Wiener Kunst-Ausbildungsstätten Angewandte, Akademie und Grafische Lehr- und Versuchsanstalt sind alle mit Projekten vertreten. Die Angewandte zeigt zusammen mit der Athener Kunsthochschule unter dem Titel A Fork in the Road ("Weggabelung") vor allem Objekte. Darunter einen zwei Meter großen, in seinem Topf zitternden Ficus oder einen großen Luster aus Latex mit hunderten herausstehenden, kleinen Fingern.

Zu sehen sind in der Postsparkasse auch die Finalisten des RONDO-Fotopreises. Das Freitag-Magazin des STANDARD hat Fotografen um Beiträge zum Thema "Rund" gebeten. Abseits künstlerischer Fotografie hat Mathieu Asselin reportagehaft den Glyphosat-Herstellers Monsanto dokumentiert, das Volkskundemuseum untersucht private Alltagsaufnahmen von 1930-50. Ein Blick lohnt sich. (Michael Wurmitzer, 21.3.2019)