Blaue Farbe und runde Kreise. Seit die Staglgasse im 15. Bezirk in Wien in dieser ungewöhnlichen Optik erscheint, hat sich hier einiges verändert. Autofahrer fahren vorsichtiger, Fußgänger und vor allem Kinder auf dem Weg zur Schule fühlen sich sicherer. Das sind die Beobachtungen, die Sylvia Kostenzer macht. Die Grafikdesignerin hat die optische Umgestaltung der Wohnstraße im vergangenen Jahr vorgeschlagen – und ist für ihre Idee mit dem ersten Platz des von der Wirtschaftsagentur vergebenen Preises "Kinder in der Stadt" ausgezeichnet worden. Im Herbst 2018, rechtzeitig zum Ferienende, ist die Bemalung abgeschlossen worden. In der Staglgasse befinden sich gleich zwei Schulen.

Vorrang für Kinder: In der Staglgasse im 15. Bezirk bremsen sich die Autofahrer auch wegen der farbigen Bemalung ein.
Foto: Kostenzer

Ohne Unterstützung des Bezirks, so Kostenzer, wäre es dennoch nicht gegangen, das Projekt umzusetzen. Aufgrund der wegen diverser Auflagen teuren Farbe fielen Kosten in Höhe von 20.000 Euro an, die der Bezirk trug. Der Hürdenlauf durch die verschiedenen Magistratsabteilungen wurde ihr von Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal (SPÖ) abgenommen.

Das Projekt in Rudolfsheim-Fünfhaus steht dennoch für die Do-it-yourself-Bewegung (DIY), die in vielen Städten der Welt zu beobachten ist. Bewohner drängen ins Freie, wollen sich den öffentlichen Raum aneignen.

"DIY ist ein internationaler Trend, Wien mausert sich in den vergangenen Jahren", sagt Stadtgeografin Yvonne Franz zum STANDARD. Vor allem in den skandinavischen Ländern oder den Niederlanden tue sich hier schon sehr viel. Wien sei bekannt für seinen trägen Verwaltungsapparat. Ein "Sich- Öffnen" und partizipative Formen zuzulassen sei insofern ein sehr "progressiver Vorgang", so Franz.

Die Verantwortlichen in der Stadt seien sich aber sehr bewusst, dass die Bürger mitgestalten wollen. "Die Wiener Antwort ist dann, dass man es zulässt, aber es von der öffentlichen Hand steuern möchte". Franz hebt Projekte, wie etwa graetzloase.at hervor.

Parklets wie hier im 17. Bezirk werden von der öffentlichen Hand gefördert.
Foto: Standard/Corn

Bei einem Parkplatz fällt einem nicht unbedingt als erste Assoziation das Wort Oase ein – Ziel der Initiative ist es dennoch, aus Fahrzeugabstellflächen sogenannte "Grätzloasen" zu machen. Sie heißen Parklets, und in Wien gibt es immer mehr davon. Ein paar Bretter zugeschnitten, zusammengeschraubt, bemalt oder mit Sprüchen versehen und dazwischen vielleicht noch das eine oder andere Blumenbeet und einen Sitzpolster – und fertig ist der Platz, der zum Verweilen einladen soll.

Im letzten Jahr gab es 44 solcher Parklets quer durch die Stadt verteilt, die durch die Lokale Agenda mit bis zu 4000 Euro finanziert werden. Auch heuer werden für die warme Jahreszeit Einreichungen entgegengenommen. Am Sonntag endet die Frist. Nicht nur Parklets werden gefördert, auch andere Ideen für den öffentlichen Raum wie Urban Gardening auf öffentlichen Grünflächen.

Letzteres hat mehrere Motive, erklärt Stadtgeografin Franz: Einerseits betreiben es Menschen, die wissen wollen, wo ihr Essen herkommt. Urban Gardening wird aber auch als Vehikel verwendet, um sich zu treffen. Nach dem Motto: "Wir machen was gemeinsam und lernen einander dadurch kennen."

Urban Gardening dient auch dem sozialen Austausch.
Foto: APA/dpa/Carstensen

Insgesamt habe die Inanspruchnahme des öffentlichen Raums auch mit dem Klimawandel zu tun – wer in einer kleinen, heißen Wohnung lebt, drängt nach draußen.

Was in Wien noch in den Kinderschuhen steckt, ist das Civic Crowdfunding für den öffentlichen Raum. Projekte werden dabei ohne öffentliche Gelder finanziert. Ein international bekanntes Beispiel ist die Brücke Luchtsingel in Rotterdam. Eine hölzerne, gelb gestrichene Fußgängerbrücke von 390 Meter Länge verbindet zwei ehemals durch Bahngleise getrennte Viertel miteinander. Gelder wurden via Onlinekollekte gesammelt.

Eine Civic-Crowdfunding-Plattform haben die beiden Wiener Jan Gartner und Lisa Reimitz-Wachberger unter dem Namen "Raumpioniere" gegründet. Sieben Projekte wurden bereits erfolgreich umgesetzt, darunter "Nut & Feder", das Flüchtlingen eine sinnvolle Beschäftigung ermöglichen möchte. Gebaut werden Möbelstücke für drinnen und draußen, gemeinsam erarbeitet von Designern und Flüchtlingen. (Rosa Winkler-Hermaden, 22.3.2019)