Florian Wisser, Jürgen Plank, Daniel Wisser und Thomas Pfeffer sind seit 1994 das EWHO.

Foto: EWHO

Das EWHO jetzt in "Anderwo": die Bürde der Hemmungen auf sich genommen.

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STANDARD: Wo liegt "Anderwo"?

EWHO: Wo Anderswo nicht liegt. Das Wort stammt aus Ernst Jandls Gedicht Calypso und steht für die Verwandtschaft, die uns mit diesem großen Dichter verbindet. Jandl erzeugt eine neue Sprache, indem er sie methodisch behandelt, zum Beispiel durch Subtraktion, also das Weglassen von Lauten oder Silben oder – in diesem Fall – Buchstaben. Unser Song Die Letten werden die Esten sein ist ja ebenso entstanden.

STANDARD: Musstet ihr die PoetInnen, zumindest die lebenden, um Erlaubnis zur Vertonung fragen?

EWHO: Selbstverständlich. Auch die Erben oder Rechtsnachfolger derer, die nicht mehr leben. Es ist uns generell ein Anliegen, dass die Dichter und Dichterinnen die Songs letztendlich auch mögen. Das heißt, sie hatten auch ein Vetorecht.

STANDARD: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Clemens J. Setz?

EWHO: Wir sind und waren auf der Suche nach jungen Dichtern und Dichterinnen, die metrisch strenge Gedichte schreiben, die sich für unsere Art der Vertonung eignen. Setz ist uns da auf Twitter aufgefallen, und wir haben aus vielen Gedichten zwei ausgesucht.

STANDARD: Wie lange braucht es, um ein Hugo-Ball-Gedicht singen zu können?

EWHO: Das ist schon ein wenig Arbeit, aber eine schöne Arbeit. Gedichte und Songtexte, die man auswendig kann, trägt man dann ja mit sich herum, man kann sie sich selbst vorsagen. Und in manchen Situationen ist ein Lautgedicht genau das, was man braucht.

STANDARD: Hat jeder von euch eine Heimorgel?

EWHO: Jeder hat mehrere Heimorgeln, und wir haben viele davon. Die Keyboards, die auf der Bühne verwendet werden, haben wir mehrfach. Und immer wieder probieren wir neue Dinger aus.

STANDARD: Habt ihr seit 1994 die gleichen billigen Heimorgeln?

EWHO: Es gibt Orgeln, die seit dem Anfang dabei sind. Das Erscheinen von Online-Auktionshäusern und Online-Basaren hat aber dazu geführt, dass es heute viel leichter ist, bestimmte Geräte zu erstehen, als noch in den 90ern, als man sie auf Flohmärkten und bei Altwarenhändlern entdecken musste.

STANDARD: Gibt es eine Lyrik-Renaissance?

EWHO: Das wäre schön, aber es sieht nicht danach aus. Lyrik wird noch verlegt und immer wieder sichtbar, grundsätzlich hat sich der Literaturbetrieb aber hauptsächlich auf den Roman verlegt. Wir versuchen mit unseren Vertonungen, Lyrik, die wir selbst lieben, einem neuen Publikum zugänglich zu machen.

STANDARD: Könnt ihr viele Gedichte auswendig (singen)?

EWHO: Es gehört einfach zu einer Band, dass man Texte auswendig kann und singt. Und mit dieser Praxis überträgt sich das schon auf andere Lyrik. Außerdem verstehen wir unsere Songtexte ja auch als Gedichte, und sie sind daher in einem Buch mit dem Titel widerstand ist ohm erschienen.

STANDARD: Entstehen eure Texte und die Musik immer in einem gemeinsamen Prozess?

EWHO: Es gibt alle Möglichkeiten: vom gemeinsamen Entwickeln zu viert bis dahin, dass einer von uns mit einer sehr weit entwickelten Idee in den Proberaum kommt. Alles wird aber von allen immer diskutiert und abgesegnet. Das ist manchmal auch mühsam, und es gibt Pläne für Songs, die seit Jahren nicht verwirklicht sind (wir nennen es das Problem-Problem, da wir einen Song mit dem Titel Problem seit dem Jahr 2004 nicht fertigkriegen). Andererseits spricht die Langlebigkeit unserer Zusammenarbeit auch für diese Vorgangsweise. Ungewöhnlich ist vielleicht, dass bei vielen unserer Songs die Musik dem Text folgt: Eigenvertonungen sozusagen.

STANDARD: Hat das EWHO Groupies?

EWHO: Wir glauben: nein. Und wahrscheinlich würden wir das gar nicht bemerken. In unserem allerersten Pressetext stand der Satz: Das EWHO hat die Bürde der Hemmungen auf sich genommen und diese zu ihrem Kapital gemacht. Für den Groupie fehlt es also ein wenig am Gegenüber: dem Star. Nächste Frage.

STANDARD: Tollster Live-Auftritt ever?

EWHO: Schwer zu sagen. Jedes Konzert, bei dem der Funke überspringt, ist schön. Wir haben im September vergangenen Jahres im Großen Sendesaal im Radiokulturhaus in Wien gespielt und auch die Kirchenorgel dort verwendet, die Peter Frisee bedient hat – das war ein wirklich großartiges Konzert. Es hat einfach alles gepasst, das Publikum, der Raum, die Technik. Es gab ein Live-Streaming im Netz. Und wir konnten genau die Balance zwischen Musik und Text rüberbringen, um die es uns geht.

STANDARD: Wann seid Ihr das nächste Mal live zu hören?

EWHO: Am 26. März spielen wir auf der lit.Cologne, dem Literaturfestival in Köln, zu einer Lesung von Clemens Setz aus seinem neuen Erzählband. Das ist das erste Mal, dass wir mit einem Autor spielen, der Prosa liest. Das wird ein spannender Abend und wir freuen uns sehr darauf.

STANDARD: Habt ihr noch eine Frage? Oder schöne letzte Worte?

EWHO: Die schönen letzten Worte müssen wir uns als erste Worte für das nächste Album aufheben. Wir werden heuer 25 Jahre alt und haben noch so viele Pläne: ein Hörbuch, eine Oper, ein Klassik-Projekt. Aber es wird schon nicht alles was werden. (Mia Eidlhuber, 23.3.2019)