Fotos wie dieses in den sozialen Medien zu posten ist der Job der Wiener Bloggerin Leonie-Rachel Soyel. Ihr sei es wichtig, sich möglichst authentisch zu präsentieren, sagt die 29-Jährige. "Würde ich alles in die Kamera halten, würde das zwar kurzfristig viel Geld bringen, aber langfristig meiner Glaubwürdigkeit schaden."

Foto: Martin Holzner

"Manchmal belächeln mich Leute, wenn ich ihnen sage, was ich beruflich mache. Ich bin Influencerin. Ich habe meinen eigenen Blog und poste auf Instagram und anderen sozialen Medien. Viele denken dann wohl an die ganzen dürren Mädels, die ihre Bilder mit diversen Filtern verschönern. Von ihnen versuche ich mich zu unterscheiden. Ich zeige mich oft ungeschminkt, veröffentliche selten gestellte Fotos. Mein Blog ist sehr persönlich. Zum Beispiel habe ich über meine Trennung geschrieben, meine Tinder-Dates, über meine neue Liebe. Über meine Borderlineerkrankung schreibe ich ebenfalls. Ich will den Leuten zeigen: Es gibt gute Phasen, schlechte Phasen, das ist normal.

Die Menschen sind doch dieser ganzen Perfektion schon überdrüssig, das zeigen aktuelle Bewegungen wie Self-Love und Body-Positivity. Sie sind wichtig, aber wir sollten aufpassen, dass wir uns nicht einen neuen Zwang auferlegen: den, uns ständig selbst lieben zu müssen, unser Bäuchlein und unsere Cellulite. Wir sollten Unwohlsein zulassen, um es dann zu überwinden.

Als Stylingassistentin zur 'Vogue'

Geschrieben habe ich immer schon gerne, zuerst Tagebuch, später Kurzgeschichten. Zu bloggen angefangen habe ich mit 15, zum Thema Mode. Mein großes Vorbild war damals Cindy Sherman, eine Künstlerin, die sich selbst fotografiert hat. Ich habe mich also hergerichtet, mir das Stativ meiner Mutter und eine kleine Kamera geschnappt und das Ergebnis online gestellt. Den Leuten hat gefallen, was ich gemacht habe. Sie wollten wissen: Woher ist das T-Shirt? Oder: Welchen Lippenstift trägst du? Also habe ich das irgendwann immer dazugeschrieben.

Nach der Schule habe ich Publizistik und Modedesign studiert und in Berlin bei einem Modemagazin gearbeitet. Mit 23 bin ich als Stylingassistentin zur 'Vogue' nach Amsterdam gegangen. Das war immer mein Traum, umso enttäuschter war ich: Die zeigen Taschen, die sich Menschen mit normalem Einkommen nie leisten können. Außerdem habe ich regelmäßig 70 Stunden die Woche gearbeitet, das hat mich fertiggemacht.

Ich bin also wieder nach Wien gezogen und habe in einem Modegeschäft als Verkäuferin und in einer Social-Media-Agentur gejobbt.

Geld mit Kooperationen

Irgendwann wurden Firmen auf uns Influencer aufmerksam. Ich bekam immer mehr Werbeaufträge – so viele, dass ich meine beiden Jobs aufgegeben habe, um hauptberuflich zu bloggen. Das war vor circa vier Jahren.

Die meiste Zeit, kann man sagen, arbeite ich für nichts. Ich poste Bilder, die ich schön finde, denn das macht ein Profil ja erst authentisch. Mein Geld verdiene ich dann mit Kooperationen. Die Firmen kaufen Pakete – eine gewisse Anzahl von Beiträgen, in denen ich ihr Produkt bewerbe. Ich habe eine Preis-Leistungs-Liste, wie ein Friseursalon. Diese Postings kennzeichne ich als Werbung, wie es das Mediengesetz vorschreibt.

Auch bei meiner Werbung versuche ich, Produkte auf eine natürliche Art zu präsentieren. Wer trägt schon ein Waschmittel auf der Straße herum? Ich zeige lieber meine Dreckwäsche. Leider haben das viele Unternehmen noch nicht verstanden. Sie wollen uns Influencern Sujets aufdrücken, die sie erstellt haben, anstatt unsere Kreativität, die auf die Zielgruppe abgeschnitten ist, zu nutzen. Das Sujet kommt aber nicht so gut an wie meine Dreckwäsche.

Wenn ein Auftrag nicht zu mir passt, lehne ich ihn ab. Würde ich alles in die Kamera halten, würde das zwar kurzfristig viel Geld bringen, aber langfristig meiner Glaubwürdigkeit schaden. Einmal wollte ein Sexshop, dass ich Werbung für ein Kostüm mache. Als sexy Polizistin bin ich aber nicht zu haben. Auch Brautkleider will ich nicht präsentieren, das passt nicht zu meiner Lebenssituation. Meist bewerbe ich Beautyprodukte – Lippenstift, Haarspray. Was ich sehr gerne mache, teilweise auch unentgeltlich, sind Kooperationen, die einen guten Zweck verfolgen, etwa mit den Frauenhäusern. Mir ist es wichtig, meine Reichweite auch dafür zu nützen.

Auch mal Nudeln mit Tomatensoße

Meine Zielgruppe sind Frauen zwischen 25 und 35. Ich merke jedoch, dass mir auch immer mehr junge Männer folgen. Derweil poste ich kaum Fotos im Bikini. Sie finden es wohl interessant, die Sichtweise einer Frau zu erfahren. Sie fragen zu Produkten manchmal lieber mich als ins Geschäft zu gehen und sich beraten zu lassen.

Ich maße mir es mir selten an, eine ultimative Antwort zu geben. 'Dieses Shampoo ist super', würde ich nie schreiben. Ich formuliere das vorsichtiger: 'Für mich persönlich ist es so, ich finde, dass ...'

Welche Eigenschaften man als Influencer braucht? Es muss einem liegen, sich selbst darzustellen. Ohne eine Portion Narzissmus geht es nicht. Man muss auch zurückstecken können. Das Influencer-Leben ist nicht so glamourös, wie es nach außen wirkt. Nicht immer habe ich meine durchschnittlichen 1400 Euro netto im Monat und muss auch mal Nudeln mit Tomatensoße essen.

Muss nicht alles zeigen

Was mir in meinem Beruf außerdem zugutekommt: Ich liebe es, Neues auszuprobieren. Ein Kunde wollte einmal, dass ich mit einem Kran auf die Wiener Votivkirche rauffahre. Ich habe extreme Höhenangst. Aber was habe ich gemacht? Mich da raufgestellt.

Ich bin keine gute Angestellte. Ich habe herausgefunden, dass ich viel motivierter bin, wenn ich für mich selbst arbeite, ich teile mir meine Arbeit gerne selbst ein. An einem Tag arbeite ich zwölf Stunden und am nächsten gar nicht. Meistens gelingt mir auch ganz gut, abzuschalten. Es ist nicht so, dass ich immer mein Handy bei mir habe und poste. Es gibt Momente, die ich einfach nur für mich haben will. Ich muss nicht alles zeigen." (Protokoll: Lisa Breit, 24.3.2019)