SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist neuerdings in den Social Media sehr aktiv. Auf Wahlkampftour in Salzburg war sie nicht.

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In elf Salzburger Gemeinden – inklusive Salzburg-Stadt – stehen am Sonntag Stichwahlen an. Im Gastkommentar kritisiert der Politik- und Medienberater Peter Plaikner SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagners mangelnde Unterstützung der Kommunalpolitik.

Michael Ludwig, Klaus Luger, Maria-Luise Mathiaschitz und Matthias Stadler wären als Role-Models wohl hilfreich gewesen. Auch Peter Kaiser oder Hans-Peter Doskozil. Und vielleicht hätte sogar Pamela Rendi-Wagner selbst in den Tagen vor der Stichwahl noch etwas mehr beitragen können. Doch letztlich blieb Bernhard Auinger allein zu Haus – in der vor 13 Tagen umgefärbten Stadt Salzburg.

Keine Beistandsleistung

Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode. Die Wiener Zentrale lässt auch die Regionalleiter der SPÖ – wo sie nicht Landeshauptleute sind – oft im Regen stehen. Dort, wo er in der Schnürlvariante besonders hartnäckig fällt, ist das Walter Steidl. Der wiederum hätte als glück- wie erfolgloser Landesparteivorsitzender dem Bürgermeisterkandidaten nichts gebracht. Die Gemeindechefs von Wien, Linz, Klagenfurt und St. Pölten wären hilfreicher gewesen. Immerhin sind inklusive Metropole noch vier Landeshauptstädte rot regiert.

Doch die zweieinhalb Zugreisestunden nach Salzburg waren vor allem den Wiener Zentralisten der Sozialdemokratie zu viel Aufwand für eine Beistandsleistung, um in ihrer drittgrößten städtischen Bastion wenigstens den Bürgermeistersessel zurückzuholen. Auch den für Samstag geplanten Besuch im Krisengebiet Tirol hat die Parteichefin kurzfristig abgesagt. Stattdessen ist sie seit Donnerstag auf Twitter aktiv. Wenn das eine Aufholjagd werden soll, gibt es für Rendi-Wagner noch viel zu tun. Sie hatte dort gestern erst 6000 Follower, Sebastian Kurz 330.000. Auf Facebook steht es 80.000 zu 800.000.

Absehbare Niederlage

Nun wäre 2019 durchaus ein Jahr, in dem die SPÖ-Vorsitzende sich hinter den Kulissen vorarbeiten könnte. Denn die absehbare Niederlage bei der EU-Wahl wurde schon vor ihr angerichtet. Doch in den bisher 119 Tagen an der Parteispitze blieb dieser Freiraum geradezu fahrlässig ungenutzt. Digital wie analog.

Kurz hat noch als Außenminister im Aufmerksamkeitsschatten der Präsidentschaftswahl 2016 in wenigen Monaten mehr als 200.000 Facebook-Fans gesammelt und war fast permanent auf Bundesländertour, um seine Machtübernahme vorzubereiten. Rendi-Wagner besucht die Provinz nur, wenn sie muss. Salzburg, die im Habitus ihrer Bevölkerung Wien wahrscheinlich ähnlichste Stadt, ist ein Musterbeispiel für das Flächenversagen der Sozialdemokratie. Sie verwechselt Wien mit Österreich und kommunale Strategien mit ihrer Verteidigung der Bundeshauptstadt. Doch bevor ihr dort spätestens im Herbst 2020 die Schlacht der Schlachten zum letzten Gefecht geraten kann, sind nach dem Landtag in Vorarlberg noch jene im Burgenland und der Steiermark zu bestellen. Dort, im Ländle und Niederösterreich stehen auch Gemeinderatswahlen an.

Rote Metropolenüberheblichkeit

Die SPÖ stellt nur 470 von 2096 Ortschefs in Österreich. Will sie ihrer strukturellen Ausdünnung in vielen Bundesländern entgegenwirken, muss sie auf der kommunalen Ebene ansetzen. Auch abseits jenes urbanen Raums, den Strategen aus der Löwelstraße nur in Wien verorten. Mit solcher Metropolenüberheblichkeit haben sie schon Graz und Bregenz wieder verloren und sind in Innsbruck sogar von den Grünen ausgestochen worden.

Die Gemeindeebene ist das beste Korrektiv gegen Bundesstrategien, die nicht mehrheitsfähig sind. Das gilt auch für eine zu abrupte Verweiblichung der Politik. Der Geschlechterausgleich in der politischen Vertretung ist überfällig, überfordert aber oft sowohl Wählerschaft als auch die Funktionärinnenressource. Dass es erst 170 Bürgermeisterinnen gibt, ist ein Indiz dafür.

Dünne Personaldecke

Dabei geht es nicht nur um das Wer, sondern auch das Wie. Der Konflikt mit dem Tiroler Parteichef – und Bürgermeister – Georg Dornauer ist ein Musterbeispiel dafür. Rendi-Wagner ließ sich zu spontan von Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek leiten. Anstatt einem großen Talent nach einem Fehler zu helfen, trug sie zu seiner weiteren Beschädigung bei. Beim Parteitag in Innsbruck waren die Gäste von auswärts bass erstaunt, welch brillanter Redner der Hausherr sein kann. Die rote Personaldecke ist zu dünn, um solche Exponenten ins Eck zu stellen. Sie bräuchten viel mehr professionelle Betreuung durch die Zentrale.

Das gilt nicht nur vom Boden- bis zum Mondsee, wo die Volkspartei entlang einer schwarzgrünen Westachse dominiert. Die regionale ÖVP-Festung Oberösterreich war bis 2013 dank der drei größten Städte bei Bundeswahlen eine SPÖ-Hochburg. Sogar in Niederösterreich hat die SPÖ schon mehr Stimmen als die ÖVP für den Nationalrat bekommen – zuletzt 1999. Wie in der Steiermark 2008. Richtig bespielt taugen kommunale und nationale Wahlen eher zu kommunizierenden Gefäßen als verbunden mit der Landesebene. Die Twitter-Blase reicht nicht für einen solchen Erkenntnisgewinn. Dazu braucht es handfeste persönliche Erfahrungen.

Österreichische – nicht nur Wiener Partei

Wenn Rendi-Wagner die Talfahrt der Sozialdemokratie stoppen will, muss sie aus der SPÖ wieder eine österreichische Partei formen, statt in der Wiener Zentrale den Unmut der Filialen nicht zu verstehen. Die Südkurve mit Burgenland und Kärnten reicht dazu nicht aus. Wenn der Trend an der Westachse mit Städteverlusten und Landtagsergebnissen unter 20 Prozent anhält, wird es keinen roten Kanzler mehr geben. Und vor allem keine Kanzlerin. (Peter Plaikner, 20.3.2019)