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März 2017: Deutschland legalisiert Cannabisblüten und -extrakte für medizinische Zwecke.
Jänner 2018: Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) streicht Cannabidiol (CBD) von der Liste der verbotenen Substanzen.
Oktober 2018: Kanada legalisiert Cannabis für Freizeitzwecke.
Dezember 2018: Mit Michigan legalisiert bereits der zehnte US-Bundesstaat Cannabis für Freizeitzwecke, in 23 weiteren ist der medizinische Gebrauch erlaubt.

Diese Liste zeigt die Tendenz staatlicher Behörden, den Anbau und Konsum von Cannabis zu liberalisieren. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO ist nun dem internationalen Trend gefolgt und bewertet die Verkehrsfähigkeit von Cannabis und cannabisähnlichen Substanzen neu.

Umfassende Überprüfung

Das Einheitsübereinkommen über Suchtmittel von 1961 (Single Convention on Narcotic Drugs) stuft Suchtmittel in vier Tabellen ein. Die Konvention bezweckt, die Verkehrsfähigkeit der jeweiligen Substanz einzuschränken, wobei die Restriktionen von Tabelle I bis III abnehmen. Tabelle IV enthält jene Substanzen aus Tabelle I, die als gefährliche Stoffe mit geringem oder keinem medizinischen Wert beurteilt werden.

Bisher sind Cannabis und cannabisähnliche Stoffe in Tabelle I und IV gelistet – und damit Heroin oder Fentanyl, ein Opioid mit vielfach stärkerer Wirkung als Heroin, gleichgestellt. Das Expertenkomitee der WHO hat nun – erstmals seit Inkrafttreten des Abkommens 1961 – eine umfassende Überprüfung durchgeführt und ist von seiner bislang restriktiven Haltung abgewichen:

In einem mit 24. Jänner datierten und im Internet kursierenden Brief an UN-Generalsekretär António Guterres empfiehlt es unter anderem die Streichung von Cannabisblüten und -harzen aus Tabelle IV. Damit würden die Restriktionen für medizinische und wissenschaftliche Zwecke gelockert – die Verwendung zu Freizeitzwecken wäre nach wie vor ausgeschlossen.

Ihre Empfehlungen stützt die WHO auf neue Studienergebnisse zum medizinischen Nutzen verschiedener Cannabinoide – die bisherige Einstufung sei medizinisch nicht mehr haltbar.

Verworrene Rechtslage

Ferner soll klargestellt werden, dass CBD-Zubereitungen mit einem Tetrahydrocannabinol(THC)-Gehalt von unter 0,2 Prozent nicht vom Übereinkommen erfasst sind. Zwar haben die EU-Kommission und das österreichische Sozialministerium diese mittlerweile als "novel food" im Sinne der EU-Verordnung 2015/2283 qualifiziert: CBD-Lebensmittel dürfen demnach nur gehandelt werden, wenn sie durch die EU-Kommission zugelassen wurden. Die Rechtslage in Österreich ist allerdings verworren.

Die Empfehlungen der WHO werden als Schritt in die richtige Richtung begrüßt – sie hinken der internationalen Entwicklung allerdings weiterhin deutlich hinterher: Der Trend geht eindeutig in Richtung Legalisierung auch zu Freizeitzwecken, die in immer mehr Staaten bereits erfolgt ist oder, wie in Luxemburg, angedacht wird.

Selbst eine gänzliche Streichung von Cannabis aus den Tabellen des Übereinkommens hätte zwar keine unmittelbaren Konsequenzen für die Gesetzeslage, mit Sicherheit aber Auswirkungen auf die Cannabispolitik der Unterzeichnungsstaaten.

Nach der Neubewertung der WHO liegt der Ball nun bei der UN-Kommission für Suchtmittel (CND). Für ihre Sitzung vergangene Woche in Wien kam die Empfehlung zu spät, und die nächste reguläre Sitzung ist erst 2020. Sollte die CND dann den Empfehlungen der WHO folgen, würde das internationale Suchmittelübereinkommen von 1961 angepasst werden. Zu hoffen bleibt, dass die nächste Änderung nicht weitere 60 Jahre auf sich warten lässt.(Thomas Talos, Stephan Strass, 25.3.2019)